Nadelstreifen-Nazis brüllen Pogromgedenken nieder
Am 09. November 1997, dem “Internationalen Tag des Pogromgedenkens” fand im kleinen Saal der Ohligser Festhalle eine Podiumsdiskussion zum Thema “Der Fall Weise” statt, zu der SOS Rassismus e.V eingeladen hatte.
Der zu lebenslänglich verurteilte NS-Verbrecher hatte im April diesen Jahres Haftverschonung erhalten und hält sich seitdem unbehelligt in Solingen auf. Die Staatskanzlei in D’dorf erklärte dazu, Weise sei schwer an Krebs erkrankt; aus humanitären Gründen habe man ihn bis zum endgültigen Entscheid über das laufende Gnadengesuch freigelassen.
Nachdem diese Verlautbarung auf Unmut und Ablehnung gestoßen war, sollte die Veranstaltung der öffentliche Diskussion zu der Frage dienen, ob einem gnadenlosen NS-Mörder überhaupt Gnade zustehen kann. Weitergehendes Ziel war eine kritische Beleuchtung des Umgangs mit der deutschen Vergangenheit.
Podiumsteilnehmer waren Hans-Werner Bertl (Bundestagsabgeordneter SPD), Dr. Waldemar Molinski (Moraltheologe) und Hans Frankenthal (Internationales Auschwitzkomitee), dazu noch Karl Dimmig, ein Rechter aus Neuss, der ein Gnadengesuchs für Weise verfaßt hatte.
Die Staatskanzlei zeigte sich auch nach mehrmaligem Nachfragen von SOS-Rassismus nicht bereit, einen Podiumsvertreter zu entsenden. Aalglatt wurde die Weigerung damit begründet, daß es sich beim Weise-Gesuch um ein “nichtjustitiables” Verfahren (also nicht mit irgendwelchen Rechtsbehelfen angreifbar) handle, zu der sich rein juristisch jede Stellungnahme verbiete.
Vor Beginn der Diskussion konnten sich die rund 90 Besucher anhand eines 45-minütigen Filmes über die Hintergründe im “Fall Weise” im Detail informieren.
Doch kaum hatte man mit der Podiumsdiskussion begonnen, hoben gut gekleidete, von auswärts angereiste NPD-Kader an, jede vernünftige Äußerung eines Diskussionsteilnehmers in einer Brüllorgie faschistischer Parolen zu ersticken.
Moderator Volker Kutz versuchte sein Bestes, die Diskussion sachlich fortführen zu lassen – am Ende gab es jedoch keinen Zweifel, daß die Nadelstreifen-SA nur aus dem Grund angereist war, jedes vernünftige Wort über Weise zu verhindern. Nach einer Stunde mußte die Veranstaltung abgebrochen werden.
Rechtes Gebrüll, rechte Motive
Mit der Veranstaltung hat SOS-Rassismus einmal mehr den Finger auf die Wunden in unserer Stadt gelegt, wobei sich aktuell erwiesen hat, daß die rechte Garde zunehmend dreister wird und mittlerweile nicht mehr davor zurückschreckt, öffentliche Diskussionsveranstaltungen für ihre braune Ideologie zu mißbrauchen.
Natürlich hatten die Herren Nazis Anweisung von der Führungsebene, wie sie sich am Brüllort verhalten sollten: Ihre Flugblätter hatten sie in Umschlägen versteckt, ihre Namen wollten die wenigsten mitteilen. Von den Solingern ließ sich kein einziger Rechter blicken (man könnte ja erkannt werden) – es waren auswärtige Gesinnungsgenossen, die vorgeschickt worden waren.
Der Fall Weise ist mehr als ein Justizskandal und mehr als ein Negativbeispiel im Umgang mit deutscher Vergangenheitsbewältigung – denn die Rechten versuchen alles, um Weises Freiheit als Sieg ihrer faschistischen Umtriebe zu verkaufen. Wenn ein Mann wie Weise begnadigt und damit anerkannt würde, daß die “besondere Schwere der Schuld” (aus dem Urteil gegen ihn), die der Nazi-Greueltäter auf sich geladen hat, nun nicht mehr ausreichen soll, um ihn seine Strafe absitzen zu lassen, dann lassen sich Weises Richter und letztlich auch der Holocaust ad absurdum führen.
Kein Zurückweichen!
Als erste Reaktionen verschickte der veranstaltende Verein eine Pressemitteilung, Autonome Antifas demonstrierten vor dem Hause des Nazimörders. Reaktionen von der Synagoge in Wuppertal, diversen Einzelpersonen und der VVN folgten. Weite Kreise in der Bevölkerung wollen keinen Gnadenakt für Weise. Inzwischen liegen dem Ministerpräsidenten Johannes Rau, der bald über das Gnadengesuch entscheiden soll, diverse Briefe vor, die ihn auffordern, sein Urteil wohl zu bedenken und dem Rechtsradikalismus in Deutschland scharf entgegenzutreten.
Gottfried Weise, der immer noch das sich im Recht fühlende Justizopfer mimt., ist Solinger. Umso mehr müssen von Solingen und den SolingerInnen klare Signale ausgehen, daß Gnade für den reulosen Holocaust-Greueltäter nicht in Frage kommen kann – am allerwenigsten um den Preis rechter Fascho-Herrlichkeit für die Wiedereinführung des Nazi-Mordens.
SOS-Rassismus