am 30. Mai um 12.30 in der Solinger Innenstadt
Am 29. Mai 1998 sind fünf Jahre vergangen seit dem rassistischen Mordanschlag auf ein von TürkInnen bewohntes Haus in Solingen. Es war mit fünf Ermordeten der bis dahin folgenschwerste Anschlag auf „AusländerInnen“. Seitdem hat sich die Welle rassistischer Gewalt ungebremst fortgesetzt.
Ermutigt durch eine nationale Propaganda der Regierenden und eine rassistisch argumentierende „Asyldebatte“ betreiben Neonazis mit Pogromen, Anschlägen, Morden und Mißhandlungen eine Strategie der Vertreibung all derjenigen, die ihrem Bild eines national gesäuberten Deutschland widersprechen. Betroffen sind anders aussehende Menschen, aber auch die antisemitischen Anschläge sind sprunghaft angestiegen, und ebenso fallen Obdachlose, Behinderte und Antifasch-istInnen dem Naziterror zum Opfer.
Der Brandanschlag in Solingen löste eine bis dahin nicht erlebte Gegenwehr der türkischen Menschen in Deutschland aus, die trotz des Einflusses türkischer Rechtsextremisten auch ein Fanal gesetzt hat. Viele Menschen, auch Medien, erklärten sich solidarisch, griffen das unerträgliche Handeln und Reden der Politiker-Innen an und forderten eine veränderte „Aus-länder“politik und eine wirkliche Bekämpfung des Rechtsextremismus. Doch was ist daraus geworden?
Die Forderung nach Bekämpfung des Rechtsextremismus wurde weitgehend ignoriert:
- Nach wie vor können rassistische und rechtsextremistische Parteien wie die Republikaner und die DVU zu Wahlen kandidieren, Abgeordnetengehälter und Wahlkampfkosten-erstattung für die Verbreitung ihrer Propaganda nutzen.
- 1997 zogen 5000 Rechtsextremisten gegen die Wehrmachtsausstellung durch München.
- „Nationale Infotelefone“ rufen legal zur Jagd auf AntifaschistInnen auf.
- Antifaschistische Gegendemonstrationen wie in Saalfeld werden verboten.
- Vor dem Hintergrund von Arbeitslosigkeit und Sozialabbau besonders in Ostdeutschland werden „national befreite Zonen“ geschaffen, in denen „die Kameradschaften souverän agieren können“. Öffentliche Plätze, die Gelegenheiten sich zu treffen, sind in ganzen Kleinstädten von der rechtsextremistischen Szene beherrscht – inmitten eines Klimas aus Angst und heimlicher Sympathie. Jugendzentren werden der rechten Szene zur Verfügung gestellt – angeblich zur Befriedung – mit dem Effekt eines staatlich geförderten Treffpunkts für angehende Faschisten.
Die Forderung nach der doppelten Staatsangehörigkeit – um wenigstens einem Teil der rund sieben Millionen meist schon seit Jahrzehnten hier lebenden Menschen ohne deutschen Pass Bürgerrechte zu geben – scheitert noch immer an der CDU. Deren Innenminister trieb seine Ausgrenzungspolitik zusätzlich mit der Visumpflicht für hier geborene Kinder auf die Spitze.
Die Forderung an den damaligen Bundespräsidenten Weizsäcker, die Tage vor dem Anschlag beschlossene faktische Abschaffung des Asylrechts angesichts des rechten Terrors – der sich davon offensichtlich ermuntert fühlte – nicht zu unterschreiben, brachte nichts. Im Gegenteil, wenig später kürzte die Bundesregierung die Sozialhilfe für alle Flüchtlinge in den ersten drei Jahren ihres Aufenthalts auf 80% der Summe, die als das Existenzminimum definiert ist. Am 6. Februar beschloß der Bundesrat mit den Stimmen von CDU- und SPD-regierten Ländern den völligen Entzug der Sozialhilfe für mehrere hunderttausend „ausreisepflichtiger“ Flüchtlinge z. B. aus Bosnien. Gleichzeitig verbringen Tausende von Flüchtlingen ihr Leben in Abschiebe-knästen – deren größter im rot-grün regierten NRW betrieben wird. Abschiebungen in Folterstaaten wie die Türkei sind alltäglich.
Die Forderung nach einer veränderten Haltung der Verantwortlichen gerade in Solingen ist weitgehend erfolglos geblieben:
- Die Polizei machte einen Überfall vom Dezember 1997 in Solingen auf einen Mann, der von einer größeren Gruppe von Skinheads kranken-hausreif geschlagen wurde, nicht öffentlich. Die Nazis treten heute in Solingen weit massiver auf als in der Zeit vor dem Brandanschlag.
- Regelmäßige Treffen von Solinger und auswärtigen Nazis wurden erst durch die Presse, nicht jedoch durch Polizei und Stadt öffentlich.
- Es gibt zwar einige aktive private antirassistische Initiativen, die Politik der Stadt hat sich aber kaum verändert.
- Günther Kissel, der größte Solinger Bauunternehmer, ein Leugner des Holocaust, Volks-verhetzer und rechtsextremistischer Drahtzieher, ist weiterhin ein geachteter Mann in Solingen, der 1997 einstimmig zum Obermeister der Baugewerbeinnung gewählt wurde. Der Oberbürgermeister eröffnet weiterhin feierlich die Bauten seiner Firma.
- Ein Handlungskonzept zur Verbesserung der Situation der AusländerInnen in Solingen wurde nach den Morden zwar öffentlich angekündigt, aber nie realisiert . . .
Solingen ist zwar nur ein Ort von vielen, an denen der zu neuen Kräften gekommene faschistische Terror wütete. Aber Solingen ist ein Ort, der auch zum Synonym für den Widerstand von „AusländerInnen“ und Deutschen gegen die Rechtsentwicklung der Bundesrepublik geworden ist.
Lasst uns am Jahrestag des Brandanschlages gemeinsam gegen staatlichen wie privaten Rassismus und Naziterror demonstrieren!
Schluss mit dem Naziterror!
Gleiche soziale und politische Rechte für ImmigrantInnen!
Die Demonstration wird u. a. organisiert vom Solinger Appell und der VVN/BdA. Es werden noch weitere UnterstützerInnen gesucht. Wenn Ihr mitorganisieren oder zur Demonstration aufrufen wollt, meldet Euch bitte beim Solinger Appell, Werwolf 57a, 42651 Solingen.