Skandal beim Brandanschlagsgedenken

Bei der offiziellen Gedenkfeier zum 24. Jahrestag des Solinger Brandanschlages ergriff, entgegen den ursprünglichen Vereinbarungen mit der Stadt und entgegen dem ausgedruckten Programmheft, auch der türkische Abgeordnete der Regierungspartei AKP, Mustafa Yeneroglu, das Wort. Von 2011 bis 2014 war er stellvertretender Generalsekretär und anschließend bis Frühjahr 2015, Generalsekretär der länderübergreifenden islamischen Bewegung Millî Görüs.
Selbst das Bundesamt für Verfassungsschutz kommt zu der Überzeugung, dass Millî Görüs ein antidemokratisches Staatsverständnis zeige sowie westliche Demokratien ablehne. Andere Beobachter der türkischen Politik halten Millî Görüs sogar für eine gefährliche faschistoid islamistische Organisation. Mustafa Yeneroglu zeigte sich bei der Talkshow von Anne Will einem breiten Fernsehpublikum als 250 prozentiger Anhänger der Politik Erdogans und unterstützte als Leiter des Koordinationszentrums fürdie Auslandswahl das umstrittene türkische Verfassungsreferendum.
Der Solinger Appell, welcher im Anschluss an das Gedenken vom Bündnis für Toleranz und Zivilcourage mit dem Silbernen Schuh ausgezeichnet wurde, kritisierte auch aus diesem Anlass den zunehmenden Missbrauch des Gedenken an den Solinger Brandanschlag für die diktatorische, antihumanistische Politik der Erdogan-Partei. Es sei unerträglich, gemeinsam mit Menschen um die Solinger Opfer des Brandanschlages zu trauern, welche zum Beispiel die 35 Morde eines unter anderen auch von Millî Görüs-Anhängern aufgehetzten Mobs im Jahr 1993 – kurz nach dem Solinger Brandanschlag – an Kurden und Aleviten in der anatolischen Stadt Sivas rechtfertigen.

Frank Knoche