Da sind wir schon wieder

Ihr haltet die zweite Ausgabe der tacheles in Eueren Händen. Einen Schwerpunkt in dieser Ausgabe bilden Prozesse gegen Menschen, die sich Wohnraumzerstörung, offenen Rassismus und Zensur nicht gefallen lassen wollen. Die derzeitge Häufung dieser Prozesse sind Ausdruck der Verschärfung der herrschenden Verhältnisse: Die jeweils Mächtigen wollen sich Kritik an ihrem Verhalten einfach nicht mehr bieten lassen. So nimmt die Stadt Solingen die vollkommen friedliche Besetzung von zwei leerstehenden Häusern an der Teschestraße und eine darauffolgende fünfminutige Ruhestörung einer Ratssitzung zum Anlaß, ca. ein Dutzend junger Menschen mit Strafverfahren zu überziehen. Vorbei sind die Zeiten von 1981, als der Oberstadtdirektor den BesetzerInnen eines privaten Gebäu des als Ersatz ein leerstehendes städtisches Gebäude aufschloß. Selbst ein satirischer Artikel in einer Abizeitung mit der sprachlichen Karikatur eines Lehrers reicht heute, um seine Autorin mit einem Strafverfahren zu überziehen.
Und auch die graue Eminenz unserer Stadt, der Obermeister Günther Kissel mit seinen rechtsextremen Aktivitäten lässt jetzt seine Muskeln und die Staatsanwälte spielen: Zunächst gegen eine Gruppe, die aus Protest gegen seine Aktivitäten aus Anlaß des zweiten Jahrestages des faschistischen Brandanschlages für kurze Zeit ein Baustellengerüst besetzten, und nun auch gegen die tacheles. Wir wurden von der Polizei informiert, daß wir eine Strafanzeige erhalten haben, weil Günther Kisse sich durch die Aufdeckung seiner rechtsextremen Verquickungen in unserer ersten Ausgabe beleidigt fühlt. Das wird ein schwieriger Kampf. Der David tacheles gegen den Goliath Kissel, den mit Abstand größten Soinger Bauunternehmer in Solingen. Wenn wir diesen Prozeß gewinnen wollen, brauchen wir viel Geld für eine gute Prozeßführung und eine breite Solidarität. Wir freuen uns über jede Spende für den Prozeß auf das facheles-Konto (siehe Impressum S. 19) und über Aktivitäten, die den Skandal des verharmlosenden Umgangs ua, der Stadt mit dem NPD-Spender Günther Kisse thematisieren.
Aber trotz allem lassen wir uns den Spaß nicht verderben und reden tacheles nicht nur über die Prozesse. Dabei geht es oft um kommunale Themen wie z. B. den drohenden Ausverkauf des städtischen Mietwohnungsbestandes, den Streit um die Schließung des Heidebades, den Heroin-Spritzen-Tausch-Bus in Ohligs und das Verhalten des Solinger Ausländeramtes gegenüber bosnischen Kriegsflüchtlingen. Für viele LeserInnen (und manche RedakteurInnen) sicher unerwartet, beginnen wir in dieser Ausgabe mit einer Serie über spirituelle Angebote in dieser Stadt. Überhaupt freuen wir uns, daß diesmal wenigstens einzelne kulturelle Beiträge dabei sind.
Zum Schluß noch eine herzliche Bitte an unsere Leserinnen: Nutzt die Zeitung als Forum, schreibt selbst über Ungerechtigkeiten, Rassismus, Sozialabbau und Umweltzerstörung oder berichtet über eure Initiative. Oder beschert uns etwas von dem Lachen, ohne das die herrschenden Verhältnisse nicht zerbröseln werden und das uns und Euch Kraft zum Weitermachen gibt Unser Zeitungsprojekt ist von keiner Partei oder sonstigen Organisation abhängig. Es trägt sich alein aus Anzeigen, Solidaritätsabos und Spenden – wer uns damit unterstützen will und kann, hilft, die karge Solinger Medienlandschaft aufzumischen.

Bis dann, Eure facheles Redaktion