oder das Ende des BIBO am Werwolf
In Solingen besteht seit Anfang der 80er Jahre für Bürgerinitiativen die Möglichkeit, sich in Räumlichkeiten zu treffen, die eigens hierfür geschaffen worden sind. Begonnen hat alles 1981. Verschiedene Initiativen (Solinger Volksblatt, Aktion Wohnungsnot, Anti-AKW-Gruppe, Kanal 4, etc.) mieteten auf der Burgstraße ein Büro an und gründeten das Bürger- und Medienzentrum. Mit Erstarken der Grünen stellte sich für die Gruppen und jeden einzelnen aktiven Menschen, die Frage, wie er es mit dieser neuen Partei halte.
Die Wahlerfolge und der diskrete Charme des Parlamentarismus erklären, warum die meisten den Reizen dieser neuen ja so ganz anderen Partei unterlagen. Daher war es damals selbstverständlich, daß die Grünen in dieses Zentrum integriert wurden.
Die doch sehr vereinzelt vorgetragenen Kritikpunkte, daß die Stärke der sozialen Bewegungen in ihrer Überparteilichkeit liegen und der Parlamentarismus nicht der Weg sein kann, seine Ziele durchzusetzen, trafen ganz und gar nicht den Zeitgeist. Schließlich verstanden sich die Grünen als parlamentarischer Arm der Bewegungen, der sogar mit Hilfe der Wahlkampfkostenrückerstattung die Initiativen unterstützen und natürlich auch die Finanzierung der angemieteten Räume gewährleisteten konnte. Ein Problem, daß Menschen, die nicht mit den Grünen sympathisieren, aus diesen Zusammenhängen ausgegrenzt werden könnten, sah man nicht, da für die Grünen klar war, daß sie auf jeden Fall diese Widersprüche bequem aushalten würden.
Letztendlich mietete man Räume am Werwolf an und über viele Jahre sah es scheinbar so aus, als wenn diese Konstruktion für beide nur Vorteile hätte. Die Grünen verloren nicht den Kontakt zur Basis und die Initiativen hatten Räumlichkeiten um sich zu treffen. Vor allem aber gab es für neu entstehende Bewegungen direkt einen Anlaufpunkt. Das Friedensforum, die Initiative gegen die Volkszählung, die Demonstrationen gegen den Golfkrieg, die vom BIBO aus organisiert wurden und auch die Entstehung des Solinger Appells, der sich nach dem Brandanschlag gründete, zeigen deutlich die Notwendigkeit an, daß es einen Ort in dieser unserer Stadt geben muß, an denen sich kritische politisch Geister treffen können. Bis vor kurzem nutzten die tacheles, der Solinger Appell, der Freundeskreis der PDS, eine kurdische Gruppe und die Grauen Panther, neben den Grünen das BIBO.
Jedoch konnten auf Dauer diese positiven Aspekte folgende Entwicklung nicht überlagern: Was anfangs ironisierend nur als diskreter Charme empfunden wurde, erwies sich als Krake. Die Grünen gingen immer mehr in der parlamentarischen Arbeit auf. Die daraus logisch folgende Übernahme ganz normaler Politikmuster, führte einerseits zur Integration der Grünen in die herkömmliche Parteienlandschaft, andererseits zu Diskrepanzen mit den Gruppen, die früher die Grünen auch als ihre Basis ansahen. Eine Folge ist, daß für viele Leute, die in diesen Bewegungen tätig sind, die Politik der Grünen nicht mehr mit den eigenen Vorstellungen kompatibel ist. Das Verhältnis zu den Grünen ist z. B. in der tacheles Redaktion sehr umstritten. Für einige sind die Grünen nicht mal mehr auf kommunaler Ebenen wählbar, während andere noch aktive Mitglieder sind. Aufgrund diesen Verlaufs der Geschichte erschien es nicht abwegig, wenn sich auch in Solingen die Wege der Grünen und der verbliebenen Bewegungen, den ursprünglichen Geburts-helferInnen der Grünen, die sich anfangs selbst mehr als Bewegung denn als Partei verstanden, nicht nur ideologisch, sondern auch räumlich trennen. Der Beschluß der Grünen Mitgliederversammlung, diesen Schritt zu unternehmen, und sich eigene Büroräume ohne Initiativen zu mieten, überrascht daher nicht. Bis zum 31.3.1998 soll dies geschehen. Das BIBO am bisherigen Ort wird es nicht mehr geben. Nun kann man denken, daß dies eine saubere Lösung ist. Doch die Verfahrensweise, wie sich die Grünen, von ihren ”Altlasten” befreit haben, sagt doch einiges über den Anpassungsprozeß dieser Partei aus. Eines schönen Tages, als wir, die tacheles Redaktion, unser letztes Treffen vor dem Prozeß gegen Kissel hatten, standen wir vor verschlossenen Türen. Die Schlösser des BIBO waren ausgewechselt. Neben der tacheles erhielten weder der Solinger Appell noch der Freundeskreis der PDS und die kurdische Gruppe neue Schlüssel. Der Vorwurf lautete: Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, da die Klos wiederholt verdreckt seien, es zu Lärmbelästigungen gekommen sei und… und.. und.. In den Gesprächen, die wir mit den Grünen Hausherren und – Damen führten, um wieder einen Schlüssel zu erhalten, entpuppten sich die Vorwürfe gegen uns und die meisten anderen unerwünschten Gruppen als völlig haltlos. Der angeblich gestohlene Computer, der für die Stadtzeitungserstellung vom Ökofonds gespendet worden war, erwies sich als von der tacheles Redaktion für das Layout ausgeliehen.
Bei der Mitgliederversammlung der Grünen am 24. 9., die nach der Weigerung des grünen Vorstandes vom Sommer nur zustande kam, weil 16 grüne Mitglieder mit ihrer Unterschrift eine außerordentliche MV beantragten, hatten die Initiativen nur die Möglichkeit, durch ein kurzes Statement, die Vorwürfe zu entkräften, an der Diskussion durften wir nicht teilnehmen. Schließlich fand man trotz alledem einen Kompromiß. Der Appell und die tacheles erhielten unter Auflagen wieder einen Schlüssel und können bis zur endgültigen Aufgabe der Räume am Werwolf diese weiter nutzen.
Ach ja, eine von den Initiativen immer wieder geforderte Diskussion über die politischen Beweggründe der Grünen für ihr Verhalten fand niemals statt. Einzig stellte Reiner Daams die Gegenfrage, was denn diese Gruppen den Grünen geben würden. Hier wird ein Nützlichkeitsdenken von Parteistrategen deutlich. Nun es ist wohl auch nicht Aufgabe dieser unabhängigen Gruppen, Grüne Parteiarbeit zu machen. Die Frage zielte wohl eher darauf ab, den Nutzen für die Grünen im Wahljahr 1998 festzustellen. Es wird wohl so sein, daß die Grünen die Gelegenheit genutzt haben, eine Trennung von den linken Schmuddelkindern zu vollziehen. Als Stimmvieh sind diese eh nicht mehr zu gebrauchen (leider auch mangels Masse). Sie sind eher ein Hindernis, breitere Schichten ”aus der Oberstadt” anzusprechen.
Für die tacheles und die anderen Gruppen geht es nun darum, andere Räumlichkeiten zu finden. Wer immer uns dabei behilflich sein kann, oder neue Räume mitnutzen will, melde sich bitte bei unserer Kontaktadresse.
Gerd Kunde