Neues vom “Konzern Stadt”: Droht jetzt der Rathaus-Abriß?

“Konzern Stadt”, so soll die Solinger Stadtverwaltung nach dem Willen der MacherInnen und TheoretikerInnen an den Hebeln des “Neuen Steuerungsmodells” (NSM) künftig ohne jede Ironie genannt werden. Was das NSM ist? Ein Konzept zum vollständigen Auf-den-Kopf-Stellen der Verwaltung mit dem proklamierten Ziel größerer Effektivität und Transparenz. Das derzeitige Zwischenergebnis ist größtmögliche Selbstbespiegelung und das fast vollständige Verschwinden demokratischer Kontrolle: So stand z. B. der (unlesbare) zigmillionenschwere Haushalt des Straßenbau- und Straßenunterhaltungsbereiches, der  neuerdings beim “Vermögensbetrieb Solingen” (VBS) angesiedelt ist, weder im Ausschuß für Stadtplanung und Verkehr noch in den Bezirksvertretungen   auf der Tagesordnung. Anfangsprobleme oder bewußter Abbau von Transparenz?

Der “Konzern Stadt” soll jetzt aber auch wirklich einer werden! Wie macht man das? Man kauft sich ein repräsentatives Konzerngebäude. Da kommt das leerstehende Gebäude der Firma Solvay, schön gelegen, umgeben von Landschaftsschutzgebiet und für einen zweistelligen Millionenbetrag zu haben, gerade recht. Schließlich ließe sich hier doch ein Teil der Verwaltung (400 – 450  MitarbeiterInnen von über 2000 insgesamt, es soll sich um die “innere” Verwaltung handeln) standesgemäß unterbringen. In der derzeit dezentral untergebrachten Verwaltung würde also ein fröhliches Kofferpacken beginnen: Ca. 60% aller Büroarbeitsplätze der Verwaltung müßten an einen anderen Ort verlagert werden. Vorher wird natürlich erst mal ordentlich renoviert, und es muß ein Ersatz geschaffen werden für das Rechenzentrum am Odentaler Weg und die städtische Telefon- und Fernmeldezentrale im Rathaus Potsdamer Str. Diese Gebäude sollen wie viele andere Verwaltungsgebäude zur Finanzierung der Aktion verkauft werden.

Wie bitte? Nein. Das ist kein Scherz, das alte efeubewachsene Rathaus an der Potsdamer Str. soll nach diesen Plänen der Stadtverwaltung verkauft und abgerissen werden.

Das Gebäude wurde 1863 als städtisches Krankenhaus erbaut. 1915 zog die Solinger Stadtverordnetenversammlung in das Gebäude an der Potsdamer Straße um. Seitdem dient es als Rathaus. Im Nationalsozialismus wurden zahlreiche Widerstandskämpfer im Polizeigefängnis im Stadthaus Potsdamer Str. verhört und gefoltert. In seinen Verliesen starb am 23.3.37 der Werkmeister Ewald Peiniger am zweiten Tag nach seiner Verhaftung und den Verhören der Gestapo.

Ein Gebäude mit dieser Geschichte abzureißen und, wie es aus gut unterrichteten Kreisen heißt, von der Firma des rechtsextremistischen Bauunternehmers Kissel überbauen zu lassen, wäre nicht nur eine Mißachtung der Idee städtischer Selbstverwaltung, sondern es würde auch einen makabren Umgang mit den Erinnerungsstätten der NS-Terrorherrschaft offenbaren.

Krabat