Die, die mit den Händen fliegen

oder: gibt es Blutsauger in Solingen?

Ängstliche Herzen seien beruhigt, die Blutsauger, die ich meine, gibt es in Solingen nicht und überhaupt: sie saugen nicht beim Menschen, sondern ritzen z. B. bei einem Pferd oder einer Kuh die Haut an und lecken den austretenden Blutstropfen auf.

Wovon ist die Rede?

Es handelt sich um Fledertiere, für jeden verständlicher: um Fledermäuse. Von weltweit etwa 1.000 Arten dieser Tiere gibt es lediglich 3 (in Worten drei!!!) die sich in Mittel- und Südamerika auf die oben genannte Art und Weise ernähren. Und trotzdem: schaurige Geschichten um die für uns unhörbaren Jäger der Nacht ranken sich um diese außergewöhnlichen Tiere und regen unsere Phantasie an.

Die einzigen fliegenden Säugetiere

Lange Zeit konnten bei den nachtaktiven Fledertieren keine genauen Aussagen über ihr Aussehen und ihre Lebensweise gemacht werden. Das Flugvermögen der Fledertiere hat dazu geführt, daß sie über Jahrtausende nicht als Säugetiere, sondern als Vögel angesehen wurden, obwohl sie keine Federn, sondern Flughäute besitzen. Gerade erst 50 Jahre alt ist die Erkenntnis, daß sich Fledertiere mit Ultraschall orientieren, in absoluter Dunkelheit fliegen können und sich so Bereiche eines Lebensraumes erschlossen, den andere nicht nutzen. Die Behaarung ihres Körpers, das Fell, führte dazu, daß sie als Mäuse bezeichnet wurden, obwohl sie keine Nager sind. Die unterschiedlichen Fledertierarten haben weltweit viele ökologische Nischen besetzt und damit versucht, ihre Nahrungsquellen zu sichern, die im wesentlichen aus Insekten, Früchten, Nektar, ja sogar bei einzelnen Spezialisten aus Fischen u.a. bestehen kann. Ihre Rolle als „biologischer Schädlingsbekämpfer“ oder als notwendiges „Transportmittel von Pollen“ bei der Bestäubung von Pflanzen in den Tropen, ähnlich den Bienen in unseren Breiten, wurde erst langsam bekannt.
Die Erforschung der Chiroptera (Handflügler) hat gerade erst richtig begonnen.

Wie alt sind diese Tiere?

Rund 5 Milliarden Jahre liegt der Beginn der Entstehung „unserer“ Welt zurück. Rund 56 Millionen Jahre liegt das dominierende Auftreten der Säugetiere zurück, vorher überwogen die Reptilien. Bekannt sind 50 Millionen Jahre alte Fossilien von Fledertieren aus der Ölschiefergrube Messel bei Darmstadt. Im Vergleich dazu: Nach neuesten Forschungen ist das erste Auftreten des Menschenaffen „Morotopithecus bishopi“ auf 20,6 Millionen Jahre und des „Australopithecus afarensis“, den jüngsten gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen, auf 4 Millionen Jahre datiert (schon mal im Neantertal- Museum gewesen?). Der moderne Mensch, der „Homo sapiens sapiens“, ist gerade ein paar zehntausend Jahre auf dieser „unserer“ Welt.

Das Rad der Veränderung dreht sich immer schneller

Dieser Mensch, mit seinen fast perfekten Fähigkeiten, seine Umwelt zu seinem Nutzen zu verwerten, hat es in einer Rekordzeit geschafft, radikale Veränderungen in einem ursprünglich im Gleichgewicht befindlichen System zu realisieren.

„Das Ende der Fahnenstange“

Die Grenze der Belastungen dieser Entwicklungen ist in einigen Bereichen überschritten, bei anderen erreicht oder in Sicht. Wir sind nicht allein auf dieser Welt und wir haben dazu beigetragen, daß vieles um uns herum unwiederbringlich verschwindet und …

… es ist uns bekannt!

In „Roten Listen“ ist niedergelegt, was wo bald nicht mehr existiert, ausstirbt. Nicht weit weg, sondern vor unserer eigenen Haustüre! Bezogen auf die Fledertiere könnten in Nordrhein-Westfalen 20 Fledertierarten leben, bzw. sind früher schon einmal nachgewiesen worden. Auf der „Roten Liste NRW“ der Säugetiere stehen insgesamt 40 Arten, sämtliche heimischen Fledertiere sind darunter wiederzufinden. Fein säuberlich aufgelistet: mit unterschiedlichen Gefährdungskategorien. Allerdings: für einige Arten der Fledertiere ist es bereits zu spät, denn wir haben sie bereits verabschiedet, sie sind ausgestorben. Kleine und große Hufeisennase, sie gab es auch in Solingen: im Felsenkeller und bei Schloß Hackhausen! Die Mopsfledermaus: im Bergischen ist sie „verschollen“.

Risiko und Chance zugleich

Solche Listen zeigen zum einen auf, daß es bei manchen Arten „fünf vor zwölf“ und bei anderen bereits zu spät ist, bieten aber auch die letzte Chance, Schutzmaßnahmen für diese Tiere oder Pflanzen (!) zu ergreifen.

Nicht nur reden, sondern anpacken und helfen

Nicht jede negative Entwicklung muß sich zwangsläufig fortsetzen. Der Erhalt einer Artenvielfalt setzt aber voraus, daß den bedrohten Arten umfassend geholfen und denen (Pflanzen und Tiere) eine menschliche Stimme gegeben wird, die sich uns gegenüber nicht äußern können und hinnehmen müssen, was wir ihnen zumuten.

RBN, BUND und NABU sind überregional wirkende Naturschutzvereine, die hier in Solingen mit örtlichen Gruppen vertreten sind. Neben diesen großen Verbänden und von diesen unterstützt, gibt es einen weiteren örtlichen Verein, den Arbeitskreis Fledertierschutz Solingen e.V. (AKFSG), dessen Wurzeln in das Jahr 1980 zurückreichen. In diesem Verein bündeln sich mit Unterstützung der Unteren Landschaftsbehörde und der Stadt Solingen sämtliche Aktivitäten zum Schutz der Fledertiere in und um Solingen.

Der AKFSG hat acht Fledertierarten in Solingen nachgewiesen: großer Abendsegler, braunes Langohr, Breitflügelfledermaus, kleine Bartfledermaus, großes Mausohr, Wasserfledermaus, Zweifarbfledermaus und Zwergfledermaus (Insektenfresser / „biologischer Schädlingsbekämpfer“).

Jede Art hat ihre spezielle Quartier-, bzw. Jagdbiotopanforderung oder ist ein Durchzügler, der hier in Solingen während ihres Zuges zwischen Sommer- und Winterquartier festgestellt wurde. Aus diesen unterschiedlichen Anforderungen resultieren bestimmte Schutzmaßnahmen. Vordringlich sind die Sicherstellung und Beruhigung der Sommer- und Winterquartiere. Bisher sind auf Solinger Stadtgebiet dreizehn Stollen verschlossen worden, um den Fledertieren Winterquartiere zu sichern, in denen sie ohne Störungen den Winterschlaf verbringen können. Etwa 100 Fledertierkästen sind auf der Grundlage von Lautuntersuchungen mit Ultraschalldetektoren und Computerauswertung an „strategisch  wichtigen  Stellen“  gemeinsam mit Schulen, Privatpersonen und anderen Organisationen, die den Fledertierschutz unterstützen, erstellt und aufgehangen worden. So wurde im letzten Jahr ein „Patenschafts-system“ im Bereich der Ohligser Heide realisiert. Altbaumbestandsuntersuchungen mit einem Endoskop sollen Feststellungen ermöglichen, ob z.B. eine verlassene Spechthöhle oder Baumspalte als Fledertierquartier dient. Der AKFSG hat nun aber keine Scheuklappen auf und beschäftigt sich nicht nur mit Fledertieren. Soll ihnen geholfen werden, kann dies nur durch umfassende Hilfen im gesamten Bereich des Solinger Naturschutzes geschehen. Aus diesem Grunde werden auch praktische Maßnahmen wie z.B. der Bau von Tümpeln von anderen Naturschutzvereinen unterstützt und gemeinsame Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen, die den Naturschutz in Solingen betreffen, wie z.B. Straßenbau, Flächenverbrauch, erarbeitet und vertreten.

Kontakt aufnehmen und mitmachen

Monatlich gibt es ein gemeinsames Treffen von AKFSG, BUND, NABU und RBN. Das nächste Treffen findet am 13. Mai 1997 um 19.30 in der Grundschule Westersburg statt. Thema: Bedeutung des regionalen Grünzuges zwischen Rhein und Wupper für Solingen. Da sind wir doch mitten drin in unserem Thema. Also, wir sehen uns?

Mit umweltfreundlichen Grüßen
Helmut Pötzsch, Vorsitzender des AKFSG