„Eine Frauenbeauftragte muß frauenbewegt sein!“

hexenblatt besuchte die Gleichstellungsstelle

Seit nunmehr 11 Jahren besteht die Gleichstellungstelle der Stadt Solingen. In dem Büro des Rathauses Cronenberger Straße haben die beiden Frauenbeauftragten Dagmar Becker, Dr. Gabriele Frohnhaus und die Verwaltungsangestellte Gudrun Scholz jede Menge zu tun, denn für frauen- und mädchenspezifische Belange einzutreten, bedeutet nicht nur gleiche Rechte für die Frauen zu fordern, sondern auch auf die gegebenen patriarchalen Strukturen Einfluß zu nehmen und gerade auch Männer zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern. Das dies nicht immer ein leichtes Unterfangen ist, kann sich jede denken.

Frauenbelange sind vielfältig

Gabi und Dagmar – beide sind mit jeweils einer Zweidrittel-Stelle betraut – haben sich aufgrund der Vielfalt an Themen auf verschiedene frauenspezifische Bereiche spezialisiert.

Die ‘Mädchenförderung in der Schule’ stellt beispielsweise einen Schwerpunkt von Gabi dar, wobei es ihr hierbei vor allen Dingen um die Berufsorientierung von Mädchen geht. Förderlich für die berufliche Zukunft sind ihrer Meinung nach aber auch die zahlreichen von der Gleichstellungstelle angebotenen WenDo Kurse in Solinger Schulen, da diese das Selbstbewußtsein von Mädchen stärken. Weitere Schwerpunkte von ihr sind ‘Frau und Beruf’ und die ‘Frauenforschung und Frauengeschichte’. Zu letzterem Thema gibt es schon seit längerer Zeit das Projekt ‘Schwert in Frauenhand’ – dabei geht es um die im Krieg gewaltbereiten Frauen, – ein Thema das bisher in der feministischen Frauenforschung keinerlei Beachtung fand.

Stadtplanung aus Frauensicht

Ein Schwerpunktthema von Dagmar ist die ‘Stadtplanung- und Stadtentwicklung’, wobei sie sich hier in konkrete Planungen und Projekte einmischt, um die Frauen- und Mädchenperspektive in die Planungen mit einfließen zu lassen. Sie hat so z.B. eine Stellungnahme zum ‘Mühlenplatzprojekt’ verfaßt und darin u.a. auf die für Frauen beängstigende und bedrohlichen ‘Angsträume’, wie Passagen und unbeleuchtete Wege und auf die Berücksichtigung der Frauen mit Kinderwägen hingewiesen. Auf die Frage, ob ihre Anregungen denn auch positive Resonanz finden, entgegnet sie, daß die Akzeptanz frauenspezifischer Belange in der Stadtplanung immer größer wird. Konkrete Vorschläge, wie z.B. die Verlegung von Taxiständen, wurden in die Planung mit einbezogen. Weitere Beispiele für frauenspezifische Stadtplanung sind die jetzt anstehenden Veränderungen in der Parkanlage ‘Volksgarten’. Hier soll die Beleuchtung verbessert werden, neue Parkbänke wird es geben und vielleicht wird dort auch die Sprunggrube erneuert.

Dagmar betont, daß sie alle Frauen, die Ideen und Anregungen für die Stadtplanung haben, nur dazu auffordern kann, sich bei ihr zu melden. So hat sie auch den Hinweis einer Solingerin berücksichtigt, die auf die fehlenden Spielmöglichkeiten für Kinder in den Rathäusern der Stadt Solingen aufmerksam machte. Es wird dort in Zukunft Spielmöglichkeiten und Beschäftigungen für Kinder geben! Dagmar: ”Um etwas zu verändern, müssen sich Frauen in die Planungen einmischen!”

Innerhalb der Verwaltung sind die beiden gemeinsam am Personalauswahlverfahren und an der Ausschuß-, Gremien- und Verbandsarbeit beteiligt. Sie bieten sowohl Beratung für ihre Kolleginnen als auch externe Beratung an. Außerdem arbeiten sie beide am Schwerpunkt ‘Mädchen und Frauen gegen Gewalt’. Bei diesem Thema möchten sie in Zukunft mehr die Arbeit mit Jungen fördern und hoffen dabei insbesondere auf die Unterstützung von Seiten der Grünen. Sie möchten   das  Thema  ‘Gewalt’ verstärkt unter   der   Perspektive   des ‘Verursacherprinzips’ betrachten, zu sehr wurde bisher immer nur die Seite der Opfer beleuchtet.

Ist Solingen eine für Frauenbelange offene Stadt?

Die Stadt Solingen ist in ihren Augen genauso offen oder nicht offen wie überall wo Männer die Institutionen dominieren. So stoßen die beiden Frauenbeauftragten oft auf taube Ohren, wenn sie Frauen besonders berücksichtigt oder erwähnt wissen möchten. Gabi: ”Frauen werden oft einfach nur ‘mitgemeint’”.

Ihnen fällt aber auch immer wieder auf, daß z.B. die in der Verwaltung arbeitenden Frauen anscheinend gar nicht so interessiert an ihren Belangen sind. Hier versuchen sie, in themenspezifischen Seminaren Interesse zu wecken.

Grundsätzlich fühlen sie sich aber ”gut akzeptiert”. Dagmar bemerkt, daß die Besetzung ihrer Stelle mit zwei gleichberechtigten Frauenbeauftragten innnerhalb der Verwaltung eine Besonderheit darstellt. Sie hofft, daß sie hierbei vielleicht aber auch als Vorbild dienen.

Allerdings finden sie auch, daß sie mit einer 1 1/3 Stelle ”personell nicht übermäßig ausgestattet” sind. Sie haben zwar in der Verwaltungsangestellten Gudrun Scholz eine tatkäftige  Unterstützung,  aber  für die vielen Themen, die es zu bearbeiten gibt, benötigen sie eigentlich noch viel mehr Mitarbeiterinnen. ”Die eigentliche inhaltliche Arbeit machen wir zu Hause”.

„Die ganze Verantwortung wird auf uns geschoben”

Frauenförderung wird von den Frauenbeauftragten als Gemeinschaftsaufgabe verstanden. Eine Problematik sehen sie allerdings darin, daß mit der Einrichtung der Gleichstellungsstelle die ganze Verantwortung für frauenfördernde Maßnahmen auf sie abgeschoben wird. Es wird von ihnen dann teilweise mehr verlangt, als sie überhaupt schaffen können. So erklärt Dagmar, daß sie z.B. auch mit dem Schwerpunkt Migrantinnen’ betraut ist, aber momentan keine Zeit hat, sich damit zu beschäftigen. Die Themen müssen aus Zeitgründen forciert werden. So arbeitet sie zur Zeit vor allem zu den Themen ‘Antigewaltarbeit von Jungen und Männern’ und zur Finanzierung von Mutter-Kind-Kuren.

Frauenbewegung und Gleichstellungsstelle

hexenblatt fragte, ob die beiden ihre Arbeit nicht oft nur als ständiges Reagieren auf die gegebenen Umstände empfinden, doch Dagmar  und  Gabi  erwidern,  daß  sie  durchausnoch genug Platz zum Agieren haben. Das liegt sicherlich u.a. daran, daß sie einen guten Kontakt zu den in Solingen aktiven Frauengruppen haben. Schon einige Veranstaltungen wurden z.B. mit dem Frauencafé Courage und dem ‘Frauenplenum’ auf die Beine gestellt oder von der Gleichstellungsstelle unterstützt, Gabi: ”Die Gleichstellungstelle ist schließlich  nicht  überall  „Vordenkerin”. Die Frauenbewegung in Solingen funktioniert ihrer Meinung nach ganz gut – ”und ohne Frauenbewegung hätte es die Gleichstellungsstelle nie gegeben. Eine Frauenbeauftragte muß in meinen Augen frauenbewegt sein, was bei einigen Frauenbeauftragten nicht immer der Fall ist”.

Ihre Rolle in der Institution sehen sie selber als Gradwanderung, und damit die Kritik nicht verloren geht, benötigen sie laut Dagmar ”immer wieder neue Energie und die Anbindung an die aktiven Frauengruppen”. Daß ihre Rolle nicht immer eine einfache ist, sieht auch Gabi: ”Die Bezeichnung ‘Feministin’ gilt heute ja schon als Schimpfwort” – ”Wir fühlen uns innerhalb der Verwaltung als Exotinnen, und extern gelten wir als Institution.”

Rübe