Aggressionen heilen

Gewalt und Heilung aus zen-buddhistischer Sicht

Anläßlich des vierten Jahrestages des Solinger Brandanschlags lädt das Zen-Zentrum Solingen zu einem Vortrag von Claude AnShin Thomas zum Thema “Aggressionen heilen” ein. Die Erfahrung von Gewalt (als Täter und Opfer) wie die von Heilung und Versöhnung prägten den Lebensweg von Thomas nachhaltig. Nach einer schweren, von Gewalt und Mißbrauch geprägten Kindheit meldete er sich freiwillig zum Kriegseinsatz in Vietnam, wo er schließlich als Kommandeur eines Maschinengewehrtrupps im Hubschraubereinsatz kämpfte. Im Alter von 19 Jahren kehrte er mit schweren Verletzungen in die USA zurück und fand sich in seiner Heimat nicht mehr zurecht, flüchtete sich in Drogen und wurde obdachlos. In den folgenden Jahren engagier-te sich der heute 50jährige Thomas in politischen Bewegungen zur Beendigung des Vietnamkrieges und setzte sich für die Situation heimgekehrter Vietnamsoldaten ein, deren Leben geprägt ist durch Obdachlosigkeit, Drogensucht, Arbeitslosigkeit, familiärer Zerrüttung und eine immens hohe Rate von Selbstmorden. Seine persönlichen leidvollen Erfahrungen mit Krieg und Gewalt veranlaßten ihn schließlich dazu, sich intensiv mit den inneren Wurzeln von Gewalt und Leid auseinanderzusetzen. Die Begegnung mit dem vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh im Jahre 1991 wurde dabei zu einem Schlüsselerlebnis. Thich Nhat Han lehrte Thomas nicht nur die Meditation, er half ihm auch mit den traumatischen Kriegserfahrungen bewußt zu leben, ohne sie verdrängen zu müssen. Während die westliche Konsum-Kultur die Menschen dazu konditioniert Leiden zu verdrängen, war es Thomas möglichdurch die Zen-Meditation seine eigenen leidvollen Erfahrungen zu betrachten und über diese zu sprechen. Heute beherrscht ihn dieses Leiden nicht mehr, sondern ist Teil seines Lebens geworden. Zugleich hat er damit Raum für Neues geschaffen. “Die Menschen”, so sagt Thomas, “die ich getötet habe, leben mit mir, Tag für Tag. Ich kann das nicht mehr ändern. Was ich aber tun kann, ist: nicht mehr töten – weder mich, noch meine Umwelt.” Ausgehend von dieser Überzeugung ist Thomas als Friedensaktivist in der ganzen Welt unterwegs. So nahm er von Dezember ‘94 bis August ‘95 an einem interreligiösen Friedensmarsch von Auschwitz nach Hiroshima teil und setzte sich auch auf dem Balkan für Frieden ein. Darüberhinaus leitet er Meditationsseminare speziell für Kriegsveteranen und Menschen, die im sozialen Bereich tätig sind. Es wäre wünschenswert, wenn viele Leserinnen und Leser der tacheles zu diesem Vortrag kommen würden, denn Thomas predigt keine Lehrmeinungen zum Thema Leiden, sondern spricht aus ureigenster, selbst schmerzhaft durchlebter Erfahrung. Außerdem wird Thomas am darauffolgenden Tag einen “Tag der Achtsamkeit” im Zen-Zentrum Solingen durchführen. Wer Interesse hat, möge sich unter der Telefonr.: 20 03 39 beim Zen-Zentrum Solingen melden!

F. Prinz