32-Stunden-Woche – der richtige Weg?

Am 9.April diesen Jahres schlug der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, die generelle 32-Stunden-Woche unter Berücksichtigung eines differenzierten Lohnverzichts der ArbeitnehmerInnen vor. Er hat einerseits den Abbau der über 4,5 Millionen Arbeitslosen als auch die Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze zum Ziel, die im Rahmen weiterer Rationalisierung immer mehr gefährdet erscheinen. Außer der strikten Ablehnung seitens der ArbeitgeberInnen bekam dieser Vorschlag auch auf der ArbeitnehmerInnenseite nur eine geringe Resonanz.

Die ablehnende Haltung der Arbeitgeberverbände war unter Berücksichtigung historischer Aspekte vorauszusehen. Bereits Ende des letzten Jahrhunderts wurde der 8-Stunden Tag gefordert, durchsetzen ließ sich dieser in Deutschland aber erst ab 1918, wobei der Samstag allerdings weiterhin normaler Arbeitstag war. 1931 forderten die Gewerkschaften zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit, die letztlich auch zu Hitlers Machtergreifung beitrug, erstmals die Einführung der 40 Stunden-Woche. Diese konnte jedoch vollständig erst 1975 nach jahrzehntelangen Arbeitskämpfen durchgesetzt werden. Mittlerweile hat die IG-Metall die 35-Stunden-Woche durchgesetzt, wobei in den vielen kleinen und mittleren Betrieben der metallverarbeitenden Industrie Solingens die 40-Stunden-Woche mit regelmäßigen Überstunden durchaus üblich ist.

Die Argumente der ArbeitgeberInnenseite gegen eine Arbeitszeitverkürzung waren dabei immer die gleichen. Der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II. stellte bereits fest, daß die Arbeiter seine zusätzliche freie Zeit im Wirtshaus verbringe oder mehr als bisher an agitatorischen Versammlungen teilnehme (das letztere Problem scheint dank Fernsehen fast gelöst). Auch führe die Arbeitszeitverkürzung zu einer unverhältnismäßig großen Belastung der deutschen Industrie gegenüber der ausländischen. Gerade das letzte Argument wird seitens der ArbeitgeberInnen und der Bundesregierung auch heute im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft gegen eine weitere Arbeitszeitverkürzung angeführt. Es müsse nicht weniger, sondern eher mehr für das gleiche Geld gearbeitet werden. Bundesinnenminister Kanther möchte z.B. die 38,5-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst wieder auf 40 Stunden erhöhen, obwohl bereits im Jahr 1996 78.000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut wurden.

„Bis zum Jahr 1975 wird der durchschnittliche Stundenlohn des Arbeiters auf 7,84 DM steigen
und seine Arbeitszeit auf 35 Stunden in der Woche fallen.“(Wahlkampfanzeige der CDU 1965)

Deutschland macht die Arbeitsstunde nicht unbedingt teurer als in anderen Ländern. Durch die hohe Produktivität einer Arbeitsstunde, die weltweit in Deutschland neben Schweden am höchsten ist wird dieses wieder ausgeglichen.

Selbst wenn die Kosten eines Arbeitsplatzes sinken, werden die ArbeitgeberInnen nur sehr begrenzt in Deutschland investieren und neue ArbeitnehmerInnen anstellen. Ein Unternehmen muß heute dort produzieren, wo es was verkaufen kann. Dies ist bei einer exportorientierten Wirtschaft, wie der deutschen, nicht das eigene Land sondern z. B. die USA. Fakt ist zudem, daß es den ArbeitgeberInnen nicht um mehr Beschäftigung geht, wenn sie über die ach so hohen Arbeitskosten in Deutschland jammern. Für sie ist eine hohe Arbeitslosigkeit positiv – Einkommenswünsche der Arbeit-nehmerInnen lassen sich aufgrund der Angst vor dem Arbeitsplatzverlust zu Zugeständnissen der ArbeitnehmerInnenseite umkehren. Die Gewinne, die durch die erhöhte Produktivität anfallen, kommen vollständig der Arbeitgeberseite bzw. den Aktionären zugute.

Arbeitnehmer ist derjenige, der die Arbeit gibt, Arbeitgeber ist derjenige. der die Arbeit nimmt.

Doch warum reagiert die ArbeitnehmerInnen-seite so reserviert auf Zwickels Vorschlag? Hier spielt wahrscheinlich auch der Egoismus der Arbeitsplatzbesitzenden gegenüber den Arbeitslosen eine Rolle, da ein Einkommensverzicht natürlich vielen nicht leichtfällt. Hierbei sollte allerdings berücksichtigt werden, daß ein Arbeitsloser in der Regel mit wesentlich weniger Geld auskommen muß. Die Beschäftigten finanzieren auch heute die Millionen von Arbeitslosen einschließlich deren Familien über ihre Sozialabgaben und ihre Steuerzahlungen mit. Wenn durch eine 32-Stunden-Woche mehr Menschen Arbeit finden würden, so könnten die Steuern und die Sozialabgaben gesenkt werden, so daß netto für den Arbeitnehmer nicht viel weniger übrigbleiben würde als heute. Wenn die ArbeitnehmerInnen nicht bereit sind, sich für die gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Arbeit und damit auch des Wohlstandes einzusetzen, so werden sie auch ihre Arbeitsplätze im Zuge der fortschreitenden Produktivitätssteigerung und der damit einhergehenden Rationalisierung eines Tages gefährdet sehen. Wenn auch der Einwand berechtigt ist, daß eine generelle 32-Stunden-Woche zu undifferenziert sei, so scheint der Vorschlag dennoch in die richtige Richtung zu gehen.

Ob die ArbeitnehmerInnen ihre zusätzliche freie Zeit dann im Wirtshaus verbringen oder trotz der Warnungen Wilhelms II. an agitatorischen Versammlungen teilnehmen, bleibt abzuwarten. Letzteres wäre zumindestens wünschenswert.

Peanuts