Mit dem Kopf durch die Wand weil die SPD den Schlüssel weggeworfen hat

Ein Kommentar zur Heidebaddiskussion

Da sind sie ins offene Messer der CDU gelaufen, die rot-grünen Koalitionärlnnen. Sehenden Auges ließen sie sich in die unselige Diskussion Natur oder Mensch zwingen.

Das Bürgerbegehren gab den Solingerlnnen die Möglichkeit, diese Frage zu entscheiden. In Zeiten des Sozialabbaus entschieden sie sich für den Menschen. Kann mensch ihnen ernsthaft böse sein? Sicher, das Verbleiben des Bades im Zentrum des Naturschutzgebietes ist ein Rückschlag für die Interessen der Natur. Ohne eine Renaturierung dieses Bereiches läßt sich schon wegen der für das Heidebad notwendigen Entwässerung der Heide das außerordentlich wertvolle Heidemoor mit seinem Artenreichtum eben nicht wiederherstellen. Aber nicht nur ich, auch die anderen Gegnerinnen des Heidebades wußten ausnahmslos, daß dieses Bürgerbegehren sehr wahrscheinlich für das Naturschutzgebiet schief gehen würde. Besonders leid können einem dabei die vielen jungen Menschen aus den Naturschutzverbänden tun, deren starkes Engagement nicht ankam gegen die Folgen einer falschen Politik.

Dabei hätte es nicht so kommen müssen: Schon im von SPD und Grünen beschlossenen städtischen Doppelhaushalt 1993/94 standen 3,5 Millionen DM für die Sanierung des gerade wegen eines fehlenden Kanals geschlossenen ehemaligen Arbeiterschwimmbades Aufderhöhe. Mit der gleichzeitigen Wiedereröffnung dieses Bades und der Schließung des Heidebades sollte den Ohligserlnnen ein Schwimmbad im Raum Ohligs-Aufderhöhe geboten und die Heide renaturiert werden. Wäre dieser Beschluß umgesetzt worden, wäre ein Bürgerbegehren mit Sicherheit gescheitert Woran ist diese sinnvolle Lösung gescheitert?

An der Sturheit der SPD und am Kleinmut der Grünen: Bei der Haushaltsberatung für den 1995er Haushalt pokerte die SPD hoch und stellte die Grünen vor die Alternative: Wenn die Grünen weiterhin darauf bestehen, die Gelder für die Sanierung des Auf-derhöher Bades auszugeben, gibt es keinen gemeinsamen Etat mit der SPD. Für die Grünen war das Aufderhöher Bad ein entscheidender Knackpunkt der Verhandlungen gewesen, denn sie wußten, daß sie nur mit Aufderhöhe eine gesellschaftliche Akzeptanz für die Heidebadschließung erhalten würden. Aber wie so oft siegte auch diesmal die ,Realpolitik: Mit 12:8 Stimmen beschloß die erweiterte Fraktion der Grünen, dem Etat auch ohne Aufderhöhe zuzustimmen. Die Schließung des Heidebades wollte man im Rat mit der SPD trotzdem durchsetzen. Die Folgen sind bekannt.
Warum sperrte sich die SPD gegen Aufderhöhe? Die ca. 4 Millionen DM städtischer Eigenanteil an der Sanierung waren ihr zu teuer. Im Heidebad-Wahlkampf ging sie sogar soweit, damit zu argumentieren, die 300 000 DM jährlichen Kosten des Heidebades würden dringend für die Schaffung von zusätzlichen Kindergartenplätzen gebraucht. Wer den städtischen Etat kennt und um die Millionenbeträge weiß, die z.B. in den Neubau von Straßen wie der Südumgehung Wald oder den Ausbau der Kreuzung Mangen-berg gesteckt werden, kann darüber nur schmunzeln: Vollends seltsam wird diese Argumentation aber mit den Beschlüssen zur Mühlenplatzbebauung: Um dem Kommerzprojekt, das aus dem – zugegeben verbesserungswürdigen – größten Innenstadtplatz Solingens ein rie-
siges Einkaufszentrum, vorrangig für den „mittleren und gehobenen Bedarf“ macht, auch eine kulturelle Komponente zu geben, werden ca. 28 Millionen DM an städtischen Eigenmitteln für den Neubau von Stadtbücherei und VHS in diesem Projekt ausgegeben. Sicherlich wäre eine zentralere Unterbringung der beiden Einrichtungen wünschenswert, aber es ist doch sehr zweifelhaft, ob dies Priorität in diesen Zeiten haben kann. Wer die Zeche dafür zahlt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Ich tippe: Die Mieterinnen der städtischen Häuser, die ihre Wohnungen nicht kaufen können und deren Wohnungen ab 1998 dann wohl doch an andere Privateigentümer verkauft werden – mit allen zu erwartenden Folgen. Und die Besucherinnen der Stadtbücherei, auf die die hohen Zinsbelastun-
gen des Neubaus dann z.B. per Benutzungsgebühren umgelegt werden könnten, sowie die anderen Kultur- und Freizeiteinrichtungen, die immer mal wieder zur Disposition gestellt werden. Und das Aufderhöher Freibad und mit ihm die Ohligser Heide.

Apropos Heidebad: War da noch was? Ach ja, die CDU. Die Unglaubwürdigkeit ihrer Politik in der Bäderfrage müßte eigentlich nicht mehr kommentiert werden. Nur der Vollständigkeit halber: Hatte sie nicht Anfang der 80er Jahre zugestimmt, daß das Heidebad mit dem Fortschreiten der Renaturierung der Ohligser Heide langfristig geschlossen werden muß? Hatte sie nicht jeden Antrag der Grünen auf Sanierung des Aufderhöher Freibades in den letzten Jahren mit Zynismus abgelehnt (allen voran ihr Ex-Vor-sitzender Seitmann, der statt der „Pfütze“ Auf-derhöhe lieber ein ganz neues Spaßbad bauen wollte – allerdings nur mit dem Mundwerk und natürlich ohne jemals einen entsprechenden Antrag im Rat zu stellen)? Redet sie nicht ständig
einem Verkauf des Hallenbades Birkerstraße an einen privaten Investor (mit den dann zu erwartenden Preisen) das Wort?

Und auch zum Solinger Tageblatt muß noch ein Wort gesagt werden: Es spricht für sich, wie Verleger Boll, der sonst selten selbst schreibt, sondern seine Meinung lieber von seinen Redakteurinnen in die rechte Form gießen läßt, den Bürgerentscheid kommentierte: „Fernand Willig, geacheteter Naturschützer und kompromißloser Verfechter einer schnellen Heidebad-Schließung hat bestimmt recht, wenn er vermutet, viele Bürger hätten bei ihrer Stimmabgabe nicht nur ganz konkret an das Heidebad gedacht, sondern an die allgemeinpolitische Situation in dieser Stadt. (…) Kehrt zurück auf den harten Boden der Tatsachen! In Solingen werden weiter Autos rollen. Die werden aber immer umweltfreundlicher. Und Solingen könnte eines Tages neben einer funktionierenden Viehbachtalstraße immer mehr ökologisch wertvolle Wohn-und Freizeitgebiete Vorhalten.“ Ob sich die vie-
len jungen Eltern, die für das Heidebad stimmten und die sich trotzdem eine Stadt ohne die Diktatur des Autos und immer weniger Grünflächen wünschen, darin wiederfinden? Hier zeigt sich das eigentliche Ziel interessierter Kreise bei der Heidebaddebatte: Das zunächst einmal berechtigte Aufbegehren der Menschen gegen ersatzlosen Sozialabbau soll umgelogen werden in einen Aufstand der Bürgerinnen gegen ökologische Politik.

Fazit: Wer das Heidebad schließen will, muß zeitgleich Aufderhöhe wiedereröffnen. Die Mittel dafür sollten so schnell wie möglich bereitgestellt werden. Eine soziale und ökologische Politik kann nicht mit den „Gürtel enger schnallen“ – Parolen durchgesetzt werden. Die angesichts der Politik der Bundesregierung ohnehin geringen Mittel für die Erhaltung der öffentlichen Einrichtungen sollten nicht auch noch von rot-grün für Repräsentationsbauten und eine Verkehrspolitik, die heute noch der autogerechten Stadt Denkmäler bauen will, verfrühstückt werden.

Dietmar Gaida