TISA – Mehr als ein Dienstleistungsabkommen…

Noch immer viel zu wenig bekannt ist das Dienstleistungsabkommen TISA (Trade in Services Agreement). Dabei ist es für die öffentliche Daseinsvorsorge ungleich gefährlicher als TTIP und CETA.
Die Verhandlungen werden bereits seit Anfang 2012 unter strengster Geheimhaltung in Genf in der Schweiz geführt. Auf Drängen der USA wurde vereinbart, die Inhalte bis zu 5 Jahre nach Inkrafttreten, aber auch nach einem ergebnislosen Ende der Verhandlungen, geheim zu halten. Eigentlich sollten die Verhandlungen schon Ende 2016 beendet sein, noch in diesem Jahr soll TISA unterzeichnet werden.

Verhandlungsteilnehmer sind 23 Regier­ungen, einschließlich der EU

Mit den 28 einzelnen EU-Staaten verhandeln insgesamt 51 Länder über das Abkommen:
Australien, Chile, Chinese Taipeh (Taiwan), Costa Rica, EU, Hong Kong (HKC), Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Lichten­stein, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Paki­stan, Panama, Paraguay, Peru, Südkorea, Schweiz, Türkei und die USA.
Allerdings ist keiner der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Süda­frika) mit dabei. Was ist daraus zu schließen?
Wollen die, wie sie sich selbst nennen, „Really Good Friends of Services“ (Wirklich guten Freunde von Dienstleistungen) mit diesem Abkommen die wichtigsten Schwel­lenländer, nämlich die „BRICS-Staaten“ unter Druck setzen, damit diese dann letztendlich auf Grundlage  der von den „Really Good Friends“ diktierten Bedingungen dem Ab­kom­men beitreten?
Die Initiatoren des Dienstleistungs­abkom­mens TISA sind sogenannte „entwickelte Länder“ –  und multinationale Dienstleis­tungs­konzerne.
Ziel ist eine weitgehende Liberalisierung, Privatisierung und Kommerzialisierung aller öffentlichen Dienstleistungen
Etwa 70 % aller Dienstleistungen weltweit wä­r­en an dieses Abkommen gebunden!

Weite Bereiche der Daseinsvorsorge wären von TISA betroffen

Wettbewerbsfreundliche Regulierungsvorla­gen für eine Vielzahl von Sektoren sollen den Marktzugang für ausländische kommerzielle Anbieter erleichtern, um damit besonders die Interessen von multinationalen Konzernen zu bedienen. Zu diesen Sektoren gehören z. B. Finanz­dienstleistungen, Telekommunika­ti­ons­dienste, der elektronische Handel, See­ver­kehr, Luftverkehr, Straßen- und Schienenver­kehr, freiberufliche Dienstleistungen, Ener­gie­dienstleistungen, Wasserversorgung, Post- und Kurierdienste, Bildung, Gesundheits­wesen, Kindergärten, Altenheime, Kultur und Unterhaltung.
Diese Regulierungsvorlagen würden alle diese Dienstleistungsbereiche durch Einschrän­kungen und/oder Aushebelung im Bereich Ver­braucherschutz, Arbeitsschutz und Um­welt­schutz bedrohen.
Fast alle Bereiche der Daseinsvorsorge wären von TISA betroffen: Private internationale Konzerne würden die regionalen öffentlichen Dienstleister langfristig verdrängen.

Die zur Verhandlung stehenden Vorlagen untergraben soziale, arbeitsrechtliche  und Umweltstandards sowie Datenschutz und die Privatsphäre

1. TISA soll eine grundsätzliche Gleichbe­handlungsforderung für alle Vertragsparteien enthalten:
Eine „Antidiskriminierung“ von privaten gegenüber öffentlichen Dienstleistungen und umgekehrt ist vertraglich vorgesehen. Das bedeutet in der Umsetzung z. B. für staatliche Subventionen:
Wenn öffentliche Dienstleister staatlich subventioniert werden, müssen private Anbieter für die gleiche Leistung ebenfalls subventioniert werden.
Im Umkehrschluss: wenn private nicht subventioniert werden, dürfen öffentliche Leis­tungen auch nicht subventioniert werden.
In der Umsetzung könnten  der ÖPNV, die VHS, die Schwimmbäder, Schulen, Kitas – fast die gesamte öffentliche Daseinsvorsorge von privaten Anbietern übernommen werden.
2. Qualifikationserfordernisse und -verfahr­en:
Technische Normen und Zulassungsver­fahren dürfen mit Abschluss des Abkommens keine Hemmnisse mehr für den Handel mit Dienstleistungen sein.
Das hätte zur Folge, dass innerstaatliche Regelungen (Gesetze, Verordnungen) zurück genommen oder zumindest eingeschränkt werden müssten.
Davon betroffen wären z. B. Arbeitsschutz­anforderungen, Umweltschutzregeln und Ver­braucherschutzgesetze.

– Unter Technische Normen versteht man die gesetzlichen Vorschriften, die bei Erbringung der Dienstleistung eingehalten werden müssen.
– Zulassungserfordernisse sind Anforder­ungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um von der Regierung die Erlaubnis zur Erbringung der Dienstleistung auf dem Markt zu bekommen.

3. Vorübergehender Aufenthalt natürlicher Personen (Modus 4)
Modus 4 erlaubt Unternehmen die Entsen­dung seiner Mitarbeiter in ein anderes Land zur Erbringung einer Arbeitsleistung. Das kön­nen Führungskräfte, Berater, Facharbei­ter, Pflegepersonal oder Bauarbeiterkräfte sein.
Nach Beendigung der Arbeit muss der Arbeitnehmer das „Gastland“ allerdings unverzüglich verlassen. Das führt zu einem Konkurrenz- und Lohndruck für die inländischen Arbeitneh­mer.

4. Grenzüberschreitender Datenverkehr und Privatsphäre
TISA wird auch für das Internet gelten!
Wenn die USA ihre Interessen durchsetzen können, wird das Abkommen die uneingeschränkte Sammlung und Übertragung von persönlichen Daten erlauben.
Unternehmen sollen umfassende persönliche Informationen sammeln, verkaufen oder für kommerzielle Zwecke nutzen dürfen.
Damit würde jede noch bestehende Privat­sphäre wegfallen.
Bei diesen Daten handelt es sich um persönliche Nutzerinformationen, Finanzinforma­tionen, Cloud-Computing-Dienste und digitale Informationen zum Konsumverhalten.

Die drei wichtigsten Kritikpunkte hat TISA mit TTIP und CETA gemeinsam:

1. ISDS (Investor State Dispute Settlement):
Die Investorenschutzklausel erlaubt Konzern- Klagen gegen Staaten, aber nicht umgekehrt. Der Urteilsspruch ist endgültig, eine Revision nicht möglich. Es gibt mittlerweile ca. 568 Konzernklagen gegen Staaten.
2. Das Abkommen als „Living Agreement“:
TISA ist ausdrücklich als „Living Agree­ment“ konzipiert – erreicht damit nie seine Endfassung.
Die sektoralen Regulierungsmaßnahmen werden durch einen „regulatorischen Rat“ laufend „wettbewerbsfreundlicher“ weiterverhandelt – vorbei an jeder parlamentarischen Beteiligung.
3. Ratchet-Klausel:
Diese „Stillhalte-Klausel“ erlaubt keine Re­kom­munalisierung bereits privatisierter
Dienst­leistungen. Einmal privatisiert ist für immer privatisiert!
Darum muss auch TISA verhindert werden!
TISA würde die Selbstbestimmung und die Handlungsfähigkeit von Regierungen bis hin zu den Kommunen stark einschränken, teilweise sogar aushebeln.
Gewerkschaften würden mit Einführung dieses Abkommens weitgehend entmachtet.
Durch seine extreme Geheimhaltung, die aggressiv überzogenen Liberalisierungsforder­ungen und durch den übermäßigen Einfluss von Konzernen auf die Verhandlungen steht TISA im Widerspruch zu den Werten des öffentlichen Interesses und der kommunalen Daseinsvorsorge.
Der übertriebene Geltungsumfang birgt große Risiken für das breite öffentliche Interesse, einschließlich der Privatsphäre, der Internet­frei­heit, Umwelt- und Verbraucherschutz.
TISA wäre ein weiteres wirkungsvolles Instrument zur Stärkung und Gewinnmaxi­mierung der großen Konzerne und zum Ab­bau unserer Demokratie!

Birgit Correns