Der Exorzist im Bürgermeisterpelz

Bei den Auschußbesetzungen des Rates provozierte die CDU-Fraktion in den letzten Jahren zweimal den Eklat und zog aus dem Stadtparlament aus. Die tacheles-Redaktion fühlt sich durchaus geehrt, daß die beiden Objekte des christdemokratischen Zorns, Dietmar Gaida (sollte als Ex-Hausbesetzer 1985 nicht in den Liegenschaftsausschuß) und Frank Knoche (als Ex-Kommunist nicht in den Vermögensbetriebs-Ausschuß) heute für unsere Zeitung schreiben.Aus aktuellem Anlaß führte Dietmar Gaida folgendes Interview mit Frank Knoche:
Frank, wir wissen ja beide, daß sich der CDU-Bürgermeister Bernd Krebs – wie das alte “HB-Männchen” – auf- und wieder abregen kann. So ausgeflippt, wie bei seiner persönlichen Erklärung über Dich, kann man ihn aber nur selten erleben. Was hast Du ihm denn Böses angetan?

Früher, als ich noch DKP-Vorsitzender war, hatte ich eigentlich immer ein ganz gutes Verhältnis zu ihm. Wir haben uns freundlich gegrüßt und manchmal auch zusammen geflachst. Jedenfalls war da kein gehässiger Ton zwischen uns. Bekanntlich habe ich mich dann Ende der 80er Jahre als Befürworter der damaligen sowjetischen Perestrojka- und Glasnost-Politik mit der DKP überworfen, fand in Solingen keine Arbeit mehr und bin für mehrere Jahre ins Ausland gegangen, bis ich vor einem Jahr wieder zurückgekommen bin.

Wenn Dich Krebs also etwa zehn Jahre nicht gesehen hat, wieso mimt er dann die Rolle des Großinquisitors und behauptet, daß ihm keinerlei Erkenntnisse vorliegen, wonach Du Dich auch nur in Nuancen geändert hättest?

Wenn mich heute jemand fragt, wer ich bin, dann antworte ich schon mal darauf, daß dies die schwierigste Frage sei, die einem Menschen gestellt werden kann – wenn sie ernst gemeint ist. Und daß ich mir diesbezüglich über eine Antwort selbst nicht im Klaren sei! Wenn ich also selbst nicht weiß, wer ich bin, woher weiß es denn der CDU-Bürgermeister Bernd Krebs? Eventuell hat er, der sich ja selbst als ein Erzdemokrat bezeichnet, der sich in Sachen Demokratie von niemandem übertreffen ließe, erwartet, daß ich nach meiner Rückkehr nach Solingen ihm im Büßergewand, auf dem Gang nach Canossa gegenüber trete und rufe: Piep, piep, piep – CDU und Kapital – ich hab Dich lieb.

Könntest Du denn nicht dem Meister, unserem Kommunisten-Exorzisten wenigstens ein kleines Zeichen Deiner Läuterung geben?

OK! Wenn der Herr Krebs meint, ich hätte ihn unter die Gürtellinie getreten, dann kann ich ihm höchstens meinen guten Hausarzt empfehlen, aber der war früher auch mal Kommunist.

Unter der Gürtellinie soll Dein Artikel über die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in der letzten tacheles gewesen sein?

Dies ist der einzige Anhaltspunkt auf den er sich beziehen kann. Und das reicht ihm als Beweis, um mich als unbelehrbaren Linksextremisten abzustempeln. Das geht nach der Methode: Wer mich persönlich kritisiert, der ist ein Verfassungsfeind, der die Freiheitlich Demokratische Grundordnung untergräbt. Mehr oder weniger zufällig ist der Bürgermeister, Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke, Vorsitzender des Landschaftsbeirates, Vertreter in der Zweckverbandsversammlung Rhein-Ruhr sowie im Verband der kommunalen Aktionäre des RWE, Mitglied des Umweltausschuß usw., auch noch Bundesgeschäftsführer dieser Schutzgemeinschaft. Anstatt sich mit meiner Kritik an diesem CDU/CSU-dominierten Verband und seiner Rolle als Multifunktionär auseinandererzusetzen greift er in die alte antikommunistische Trickkiste.

Der Mann ist eben nicht zimperlich, wenn es um seine politischen und persönlichen Interessen geht.

Wer so erbarmungslos austeilen kann, der sollte auch etwas einstecken können, aber eben: Wer seine persönlichen Interessen mit denen der Demokratie gleichsetzt und je nach Belieben verwechselt, ist nicht in der Lage, objektiv zu bleiben. Ich kenne diesen psychopathischen Mechanismus ja selbst. Schließlich habe ich ja auch mal geglaubt, daß wer die Sowjetunion oder die DDR kritisiert, den Kommunismus an sich verurteilt.

Was hältst Du von dem Kommentar des Tageblatt-Chefredakteurs Kob, in dem er Deine Nominierung durch die Grünen damit vergleicht, daß die CDU einen Ex-NPD-Chef in den Ausländerbeirat berufen könnte?

Das wäre doch nichts Außergewöhnliches für diese Partei. Die haben doch schon ganz andere Kaliber zu hohen und höchsten Partei- und Staatsämtern verholfen. Wie da wären die Ex-NSDAP-Funktionäre wie Globke, Strauß, Filbinger, Kiesinger, Carstens – um nur die Prominentesten zu nennen. Und wer den Auschwitzleugner und Volksverhetzer Kissel als honorigen Mitbürger und demokratischen Partner in der Kreishandwerkerschaft verteidigt, soll sich doch nicht wundern, wenn seine verlogene Totalitarismustheorie unter der ganzen Rechtslastigkeit zusammenbricht. Außerdem finde ich die Kob‘sche Einteilung der politischen Lager – auf der einen Seite SPD, Grüne und Ex-Kommunisten, und auf der anderen Seite CDU und Nazis – eine beachtliche Analyseleistung! Und wofür braucht die CDU Ausländerfeinde aus der NPD? Wenn ich die Hetze von Kanther und Stoiber gegen Ausländer höre, kann ich da kaum noch einen Unterschied erkennen. An der Haltung vieler bürgerlicher Konservativer zu den alten und neuen Nazis hat sich doch in den letzten siebzig Jahren nichts geändert. Haben sie zwischen Antifaschismus und Antikommunismus zu wählen, tendieren sie allemal nach rechts. Faschisten bekämpfen sie nur dann, wenn das ohne Sozialisten geht und vor allem, weil sie auf die Stimmen der rechten Wähler schielen. Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist das ist doch wieder einmal deutlich geworden. Wenn die PDS für ein Bündnis aller antifaschistischen Parteien gegen die DVU gebraucht wird, zieht es die CDU eher vor, die rassistischen Volksverhetzer zu tolerieren.

Es wäre gar nicht schlecht, Deinen dreiseitigen Artikel über die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und ihren Geschäftsführer als Broschüre neu aufzulegen.

Gute Idee! Eventuell kommt da ja noch was zu. Ich warte nämlich immer noch auf die Jahresbilanz der SDW und habe mich gerade zum zweiten Mal beim Deutschen Spendenrat darüber beschwert, daß ich sie nicht erhalte, obwohl sich die SDW gegenüber dem Spendenrat verpflichtet hat, diese jedermann auf Verlangen zukommen zu lassen.