Abenteuerspielplatz

Vor gar nicht allzu langer Zeit, ich befand mich gerade auf dem Rückweg von einem Einkauf mit meiner fast drei Jahre alten Tochter in einem hier nicht näher genannten Supermarkt, führte mich der Heimweg auch durch das vor kurzem fertiggestellte neue Boll-Werk Walder Rundling. Es war damals noch kalt draußen. Rechts, gut sichtbar hinter einem schmalen Durchgang zwischen den Häusern, befand sich ein nagelneuer ebenfalls vor kurzem fertiggestellter Spielplatz. Meine fast dreijährige Tochter hatte ihn ebenfalls erblickt und lotste mich zielstrebig dorthin. Sie vertrieb sich dort mit allerley Kurzweil die Zeit, rutschte und erkletterte ein noch von Fußspuren unbeflecktes Holzhaus, warf etwas Sand auf den strategisch etwas ungünstig gelegenen frischgepflasterten Boden neben dem Sandkasten, und ich sinnierte darüber, wie lange wohl der spielplatztechnisch ebenfalls ungünstig gepflanzte Bodenefeu auf dem frischen Mulch lebendigen spielenden Kindern standhalten würde. Jedenfalls war ich mir keiner Schandtat bewußt.

Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Pärchen auf, das uns mit einer Art verlegener Autorität musterte und dann (d.h. die männliche Hälfte der beiden) fragten, ob ich hier wohnen würde. Ich war froh, dies verneinen zu können, und fragte zurück, ob sie das denn täten. Sie (d.h. er) gaben mir dieselbe Antwort. Natürlich hatte ich sein gleich einem Colt am Gürtel befestigtes Handy bemerkt und war mir bewußt, daß ich hier eine Art Blockwart vor mir hatte. -“Dann möchte ich Sie bitten, dieses Gelände hier zu verlassen. Das ist nur für Anwohner.” -“Ich hab hier aber kein Schild bemerkt, woraus das ersichtlich wäre” entgegnete ich in der sicheren Annahme, das so Menschen Behördendeutsch am besten verstanden.

-“Ja, das wird hier aber noch aufgestellt. Bitte verlassen Sie jetzt das Gelände.”

-“Machen wir. Einen Moment bitte.” Meine fast dreijährige Tochter spielte noch im Sand und besah sich die beiden mit der noch unverdorbenen Neugier, die Menschen in diesem von deutscher Kultur noch unbeflecktem Alter so angenehm macht.

-“Und das hier,” sagte die Softversion von Blockwart auf die zwei Handvoll sich ungesetzlich neben dem Sandkasten befindenden Krümel Sand deutend, “geht so auch nicht.”

-“Ja”, sagte ich verständnisvoll, ”da haben sie recht. Das geht so wirklich nicht. Wo kämen wir denn da hin, wenn alle Kinder den Sand im Sandkasten auch noch in die Hand nehmen würden ?”

Der Typ murmelte noch irgendwas, und entfernte sich mitsamt seiner leicht peinlich berührten Begleiterin. Ich wandte mich demonstrativ meiner fast dreijährigen Tochter zu und versuchte ihr das eben Geschehene begreiflich zu machen.

Wie ich kurze Zeit später von einem befreundetem Elternpaar erfuhr, stieß dem Vater eines damals fast vierjährigen Sohnes ähnliches zu. In der irrigen Annahme, es würde sich um einen für Normalsterbliche zugänglichen Spielplatz handeln, hatten beide sich auch dort aufgehalten und die Zeit mit ähnlichen Tätigkeiten wie wir vertrieben. Wieder tauchte das gestrenge Paar auf und stellte die gleiche Frage nach dem Wohnort. Nach einem kurzem Wortwechsel gab der Vater des fast vierjährigen Kindes die Empfehlung, am besten die Polizei zu rufen, und  der Typ tat das tatsächlich. Die beiden spielten ungerührt weiter, bis der fast Vierjährige keine Lust mehr hatte. Als sie gingen, stand der Typ immer noch an der Straßenecke und hielt vergeblich Ausschau nach den Gesetzeshütern.

Mittlerweile ist einige Zeit vergangen; ich bin des öfteren noch da vorbeigegangen, und habe dort weder spielende Kinder noch ein Schild gesehen, das ortsunansässigen Kindern das Spielen dort untersagt. Mittlerweile halte ich das alles für eine Art Attrappe oder Potemkinsches Dorf. Wahrscheinlich wird das Ganze irgendwann einfach abgerissen und macht Garagen Platz, weil der Spielplatz ja wieso nicht benutzt wird.

Erich Mühselig