Interview mit der Leiterin des neuen Landeszentrums für Zuwanderung in Ohligs

“Die Philosophie lautet Vernetzung”

Am 8. Januar wurde im ehemaligen Bunker an der Kelderstraße in Solingen-Ohligs das Landeszentrum für Zuwanderung eröffnet. Die Arbeit dieser Institution soll darin bestehen, sich der Einwanderungswirklichkeit in NRW zuzuwenden und diese aktiv zu gestalten. Schließlich leben allein in NRW knapp 2 Millionen Menschen ohne deutschen Paß. tacheles sprach mit der Leiterin des Landeszentrums, Dr. Lale Akgün.

Frau Akgün, können Sie uns etwas zu der Entstehungsgeschichte des Institutes erzählen?

Die Idee eine Landesinstitution aufzubauen, die zu dem Thema Migration und Integration arbeitet existiert schon seit Mitte der achtziger Jahre im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Durch die Koalitionsvereinbarungen ist es dann möglich geworden, das Landeszentrum zu errichten.

Inwiefern hat der gewählte Standort des Landeszentrums etwas mit dem Solinger Brandanschlag zu tun?

Viele Kommunen wollten natürlich eine Landesinstitution in ihrer Stadt haben und haben sich darum beworben. Solingen hat sich ganz besonders bemüht. Ich denke, man muß es der Stadt Solingen hoch anrechnen, daß sie sich sehr um die Belange der Minderheiten in dieser Stadt bemühte und mit dem Holen des Landeszentrums ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen wollte. Insofern hat der Standort des Instituts indirekt mit dem Brandanschlag zu tun.

Welche zentralen Aufgabenfelder hat das Landeszentrum?

Die Philosophie unserer Institution ist die der Vernetzung. Es sollen Synergieeffekte ausgelöst werden, wir wollen Veranstaltungen organisieren und Empfehlungen aussprechen, um die  Integration von Minderheiten zu fördern. Wichtig ist auch, daß 50% der MitarbeiterInnen des Landeszentrums aus Zuwanderern und Spätaussiedlern besteht. Auch die Spätaussiedler gehören zu unseren Zielgruppen.

Sie sprechen in der von ihnen erstellten Dokumentation zur Eröffnung des Landeszentrum, von “fehlenden gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten” für Zuwanderer. Was meinen Sie damit im Konkreten? Geht es Ihnen dabei z. B. auch um das Wahlrecht und die doppelte Staatsbürgerschaft?

Für uns ist wichtig, daß Zugewanderte in allen Lebensbereichen partizipieren. Das verstehe ich auch unter ‘strukturelle Integration’. Migranten sollen in allen Berufen und sozialen Stellungen vertreten sein. Unter sozialer Integration’ verstehe ich, daß Migranten auch im sozialen Leben vertreten sind, also in Vereinen, in Berufsständen, in Kammern… . Sie sollen sich auch mit den Einheimischen in allen Bereichen vernetzen. Aber natürlich verstehe ich darunter auch die politische Partizipation. Auch die politische Integration ist ganz wichtig. Ich halte es auch für eine ganz wichtige Sache, daß Migranten sich einbürgern lassen und daß sie die Möglichkeit haben, das Leben mitzugestalten. Wenn sie das Leben mitgestalten wollen, müssen sie auch das politische Leben mitgestalten.

Wie werden Ihre lokalen Aktivitäten aussehen?

Wir werden viele Veranstaltungen machen. Da unsere Aufgabe eine vernetzende ist, ist das auch ganz wichtig, um Menschen immer wieder zusammenzubringen. Dies wird sicherlich größtenteils in Solingen passieren. Sie wissen, daß wir Ende des Monats eine Tagung zum Thema Rassismus und Antirassismus machen, zu der wir sehr viele Menschen erwarten. Dies zeigt, daß wir in Solingen präsent sind. Allerdings sind wir natürlich keine Institution für Solingen, aber in Solingen.

Gibt es von Ihnen Konzepte zur Flüchtlingsarbeit, die ja qualitativ etwas anderes als die Arbeitsmigration darstellt?

Die Definition unseres Zentrums ist, daß wir für alle Zuwanderer da sind, die auf Dauer ihren Lebensmittelpunkt in NRW haben, daß heißt, dazu zählen  auch anerkannte Flüchtlinge. Wir sind nicht zuständig für diejenigen, die nicht anerkannt sind. Das fällt nicht in unser Ressort. Sondern wir werden für die dasein, die auf Dauer hier bleiben wollen und werden.

Was verstehen Sie genau unter Inte-grationskonzepten? Wie sollen die verschiedenen Wünsche der MigrantInnen berücksichtigt werden, die hier manchmal zu Auseinandersetzungen führen, z.B. der Bau einer Moschee, oder der kurdische Befreiungskampf?

Wir sind für den Erhalt der kulturellen Identität aller Menschen. Wir sind für den Erhalt der Muttersprache aller Menschen. Dafür werden wir uns einsetzen. Wir möchten, daß Menschen die Möglichkeit haben, ihre kulturelle Identität zu erhalten, aber es müssen auch verbindliche Regeln für alle dasein. Wir sind für grundsätzlich garantierte Gleichheit vor dem Gesetz, wir sind für die Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit, wobei die Normen des Grundgesetzes durch politische, kulturelle und religiöse Einstellungen und Handlungen nicht verletzt werden dürfen.

Wie stellt sich das Interesse seit Eröffnung des Instituts aus der Bevölkerung bzw. von den Institutionen dar?

Aus der Bevölkerung kommt natürlich weniger, wir sind ja auch nicht direkt für die Bevölkerung da. Dagegen ist das Interesse der Institutionen sehr groß. Ich habe das Gefühl, daß eine Institution die vernetzt, schon sehr gebraucht worden ist und notwendig war. Also diese Philosophie der Vernetzung, das Zusammenbringen von Menschen aus der Wissenschaft, aus der Praxis, dieses Schaffen von Synergieeffekten, die Möglichkeit Ideen in andere Teile des Landes und Kommunen zu transferieren; dies alles wird sehr gut angenommen. Allerdings können wir gar nicht so schnell arbeiten, wie von uns erwartet wird, da unser Team noch nicht vollständig ist. Es fehlen noch drei MitarbeiterInnen, die hoffentlich im Laufe des Jahres noch eingestellt werden, damit wir dann mit voller Kraft arbeiten können.

Gibt es in anderen Ländern der Bundesrepublik ähnliche Institute?

Nein, dies ist das erste Landeszentrum für Zuwanderung in Deutschland, also eine Institution die noch keine Vorbilder hat, was uns die Arbeit sehr spannend aber auch sehr schwierig gestaltet. Wir müssen selber Spuren schaffen und können nicht  in vorhandenen Spuren laufen. Wir hoffen natürlich, daß andere Länder nachrücken. Es ist auch schon von einem Bundesland geäußert worden, ob man nicht ins Gespräch kommen könnte, obwohl wir noch gar nicht voll arbeiten. Dies zeigt auch den Wunsch nach Integrationspolitik eines Landes. Es zeigt, daß das Land eine integere Integrationspolitik betreibt.

Wir danken Ihnen für das Gespräch Frau Akgün!

Eva Thomas und Volker Seidel