Weltweit sind mehr als 80% aller Flüchtlinge Frauen und Kinder. Unter denjenigen AsylbewerberInnen, die in den reichen Staaten des Nordens dauerhaften Schutz erhalten, stellen sie jedoch die Minderheit dar.
Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten werden verfolgt, gefoltert oder/und getötet, weil sie mit politischen Männern verwandt sind, (z.B. Kurdinnen und Türkinnen), weil sie selbst der Opposition angehören, weil sie lesbisch sind, weil sie gegen herrschende gesellschaftliche Normen verstoßen (z.B. gegen die islamische Kleiderordnung, gegen die Klitorisbeschneidung), oder weil sie einer ethnischen Minderheit angehören. Überall auf der Welt sind Frauen Opfer von Konfliktgeschehen, auch wenn sie selbst keinen Anteil an diesen haben.
Warum Frauen flüchten
Die alltägliche Unterdrückung von Frauen findet ihre grausame Fortsetzung in den Vergewaltigungen der Kriege. Schon seit Jahrhunderten stellt die Vergewaltigung von Frauen ein Element der Kriegsführung dar.
Trotz des seit 1949 geltenden Verbots wird Vergewaltigung heute immer noch als legitime Kriegswaffe erachtet. In den 90er Jahren stellen hier die Fälle aus Bosnien-Herzegowina, Peru, Kuwait, Liberia usw. erschreckende Beispiele dar.
Systematische Gewalt an Frauen existiert allerdings nicht nur in Form von Vergewaltigungen. Zwangsprostitution, gynäkologische Zwangsuntersuchungen (z.B. in der Türkei) oder die Verfolgung lesbischer Frauen sind nur einige weitere Beispiele für die Vielfältigkeit des Sexismus weltweit.
Frauen auf der Flucht
Von sexuellen Übergriffen betroffen sind aber besonders auch die Frauen und Mädchen, die sich auf der Flucht befinden. So schildert eine Äthiopierin, die vor der Mengistu-Administration flüchtete:
„Wir waren zu viert: meine beiden Kinder im Alter von zwei und vier Jahren, unser Führer und ich selbst. Ich war im fünften Monat schwanger. Auf dem Weg hielten uns zwei Männer an, die wissen wollten, wohin wir reisen. Wir erklärten es ihnen, woraufhin mich einer der beiden beiseite nahm und sagte: ‘Ohne Sex keine freie Durchreise!’Er zwang mich auf die Knie, versetzte mir Tritte in die Magengegend und vergewaltigte mich vor den Augen meiner Kinder. Er wußte, daß ich schwanger war, aber es scherte ihn in keiner Weise.“
Deutschland bietet keinen Schutz
Trotz der frauenspezifischen Verfolgung, werden in den meisten Länder, auch in Deutschland, frauenspezifische Fluchtgründe nicht anerkannt. Selbst die Genfer Füchtlingskonvention benennt den Verfolgungsgrund ‘Geschlecht’ nicht explizit.
Frauen, die Menschenrechtsverletzung in Form von sexueller Gewalt erlitten haben, stoßen bei der Beantragung von Asyl in Deutschland auf vielerlei Schwierigkeiten. Den meisten Frauen fällt es sehr schwer im Asylverfahren über das Erlebte zu berichten. Zum einen aus Angst, von Angehörigen verstoßen zu werden, weil die ‘Familienehre’ verletzt wurde, zum anderen weil überwiegend Männer das gesamte Asylverfahren durchführen. Auch wenn die Möglichkeit besteht, eine Befragerin oder Dolmetscherin zu beantragen, wird dies in der Praxis nur selten umgesetzt.
Die Asyl-(rechtssprechung?) und ihre Folgen
Die Änderung des Asylverfahrensgesetzes im Jahr 1993 hat nicht zur Berücksichtigung frauenspezifischer Fluchtgründe geführt und die seitdem eingeführte Beschleunigung des Verfahrens setzt Frauen noch mehr unter Druck:
Berichtet eine Frau in der Erstanhörung nicht über ihren Verfolgungsgrund, wird es ihr nicht gestattet zu einem späteren Zeitpunkt Angaben zu ihrer Flucht zu machen. Wenn sie sich dennoch nachträglich zu den Gründen ihrer Flucht äußert, wird dies meist als „gesteigertes Vorbringen“ bewertet, als „unglaubwürdig“ eingestuft und führt zur Ablehnung ihres Asylantrages. Ein Asylantrag wird oftmals schon deshalb als offensichtlich unbegründet abgelehnt, wenn eine Frau aus einem sogenannten „sicheren Herkunftsland“ geflüchtet oder über ein „sicheres Drittland“ eingereist ist. Unvollständige Angaben bei der Erstanhörung oder die Vorlage falscher Papiere führen ohne Rücksicht auf die eigentlichen Umstände der Verfolgung und die Gründe der unvollständigen Angaben zur Ablehnung des Asylantrages.
Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung geworden sind, werden in der deutschen Asyl- (rechtssprechung?) nicht anerkannt, weil davon ausgegangen wird, daß die Verfolgung nicht direkt oder indirekt von dem Staat des Heimatlandes ausgegangen ist und somit nicht asylrelevant ist.
So wurde 1992 der Asylantrag moslemischer Frauen aus Bosnien-Herzegowina, die angaben, von serbischen Soldaten vergewaltigt worden zu sein, vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, abgelehnt. Begründet wurde dies damit, daß asylrelevante Merkmale wie politische Überzeugung, Religionszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder zu einer bestimmten sozialen Gruppe, mit den Vergewaltigungen nicht in Verbindung stünden. Obwohl zu diesem Zeitpunkt der Entscheidung bundesweit ein Abschiebungsstopp für Bosnien bestand, sollten diese Frauen abgeschoben werden. Der öffentliche Protest gegen diese Bescheide verhinderte dies zunächst.
Am Beispiel der deutschen Asylgesetzgebung wird deutlich, daß Frauen nicht nur in ihren Heimatländern, sondern auch in Ländern, in denen sie Schutz suchen, der Unterdrückung und Verachtung ausgesetzt sind. Die fehlende Anerkennung frauenspezifischer Fluchtgründe ist in Deutschland nicht nur sexistisch sondern auch rassistisch motiviert. Nicht die Gefahr wird thematisiert, denen die Frauen bei Abschiebung in ihre Herkunftsländer ausgeliefert sind, sondern die Frauen selbst werden als Gefahr, als gefährlicher Flüchtlingsstrom betrachtet, dem Einhalt geboten werden muß. Zu wenig wird auf diesen Zustand hingewiesen.
Am 8. März ist Internationaler Frauentag! Es wäre schön, wenn an diesem Tag auch an die verfolgten, verstümmelten und gefolterten Frauen und Mädchen weltweit gedacht würde.
Rübe
Literatur: amnesty international: Frauen in Aktion – Frauen in Gefahr, Bonn 1995