10 Jahre autonomer 1. Mai

Am 1. Mai (wann auch sonst) bewegten sich etwa 2ooo Menschen durch die Wuppertaler Nordstadt um den „Kampftag der Arbeiterklasse“ gebührend zu begehen. Doch auch zuvor gab es einige rege Aktivitäten bei den bergischen Autonomen. Am 24. 4. wurden im Autonomen Zentrum Wuppertal historische Dias und Filme gezeigt, außerdem erzählten alte Recken Anekdötchen über die letzten 1o Jahre.

Einen Höhepunkt hatten die diesjährigen Maifeierlichkeiten dann am Samstag dem 27. des Monats. Der erste transbergische Triathlon mit den Disziplinen Radrennen, Wettrudern und Volxwandern stand auf dem Programm. Das Radrennen fand auf dem Wuppertaler Ölberg statt. Trotz einiger Widrigkeiten in Form von übereifrigen Polizeibeamtinnen, die den autonomen Streckenposten die (bis dahin sehr gute) Verkehrsregelung untersagten, um dann selbst das herrlichste Chaos anzurichten, gelang dem Solinger Team erwartungsgemäß der Sieg.

Mit einem Reisebus, einigen Autos und Motorrädern fuhr der Troß der Sportlerinnen samt Fans und Staatsschutzeskorte zum Teufelsteich nach Remscheid, einem ehemaligen Freibad, das von revolutionären Arbeiterinnen in der Weimarer Republik erbaut wurde. Nach zum Teil nervenaufreibenden Rennen mit Gummibooten, begleitet von heftigsten Kämpfen der Insassen konnten die Solingerln-nen (wer auch sonst) erneut den Sieg erringen.

Nachdem der Gesamtsieg für die kühnen Helden aus der bergischen Metropole so gut wie sicher war, konnte man den dritten Teil des Triathlons, eine Volxwanderung von Unterburg zum Schloß, gemächlich angehen lassen. Als dritte kamen die Solinge-rlnnen dann auf dem Burghof an, wo eine bergische Kaffeetafel mit allerlei heimatlichen kulinarischen Genüssen auf sie wartete.

Doch nicht nur sportliches wurde an diesem historischen Tag geboten. Das Reiterstandbild von Engelbert 2 wurde verhüllt und ein Abbild des legendären bergischen Räuberhauptmannes Karl Biebeighäuser auf das Pferd gesetzt. Zwei Burschen enterten den Glockenturm, in dem die „Gedenkstätte des deutschen Ostens“ untergebracht ist und widmeten sie um in eine Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer von Faschismus und Ab-schiebepolitik. Gleichzeitig wurden Transparente für ein Leben ohne Kissel (bekannter NPD-financier), Köhler (Polizeipräsident) und Kohl (Bundeskanzler) und für autonome Zentren in jedem bergischen Kotten aufgehangen. Anschließend wurde die „Unabhängigkeitserklärung des Autonomen Bergisch Land“ verlesen. Den anwesenden Volxmassen wurde verkündet, daß das „autonome Bergische Land kein Interesse mehr hat in dieser widerwärtigen BRD zu sein“. „Wir haben schon lange die Schnauze voll von dem Normalzustand in diesem Land, wir wollen es nicht mehr ertragen, daß hier vor unseren Augen Menschenrechte eklatant verletzt werden, wie in den Gefängnissen und Polizeirevieren, daß die Polizei sich das Recht nimmt, kurdische Menschen zu verfolgen, daß Schreibtischtäter immer noch Flüchtlinge abschieben, daß auch Soldaten aus dem Bergischen sich wieder in fremde Länder zum Kriegseinsatz aufmachen“ (Zitat aus der Unabhängigkeitserklärung).

Am ersten Mai selbst kam es dann zur lang ersehnten 10. Autonomen 1.- Mai- Demo mit 2ooo Teilnehmerinnen, darunter etwa 3oo kurdischen Menschen. Inhaltlich wurde dieses Jahr auf den Befreiungskampf in Kurdistan und den bevorstehenden Castortransport bezug genommen. Ein massives Polizeiaufgebot mit SEK-Iern versuchte immer wieder die Demospitze mit Spalier und martialischem Auftreten zu provozieren, konnte aber nicht verhindern, daß Anti-Castor- und Kurdistanparolen gesprüht wurden. Mit einem 1o- Minuten Sitzstreik auf der vielbefahrenen Hochstraße wurde letztendlich auch erreicht, daß das Spalier abgezogen wurde. Auch in Solingen gab es morgens eine Demo der Gewerkschaft, in der sich ein kämpferischer Block bildete, der sich gegen den Sozialabbau und das „Bündnis für Arbeit“ richtete. Im Gegensatz zur Demospitze wurden hier ununterbrochen Parolen skandiert und der herrschende Zustand in diesem Land angeprangert.

Seinen Ausklang fand der 1. Mai dann bei einem Solikonzert für angeklagte Solinger Antifas im Meier’s. Zum Tanze spielten die Solinger Bands Noise ‚R Us und Jet Bumpers sowie die Kölner Skaformation Banana Peel Slippers. Allerdings schienen sich einige Anwohnerinnen durch die holden Klänge gestört und riefen nach Recht und Ordnung. Herbeieilende Polizistlnnen beendeten das Konzert ein wenig vorzeitig, konnten die Heimreise zur Goerdelerstraße allerdings nicht antreten da ein Scherzbold ihr Auto tieferlegte.

BIJI BERGISTAN, KP/R