(Gegen)Gewalt ist (k)eine Lösung?!

„Polizei rät Frauen zu massiver Gegenwehr“ war die Überschrift einer kleinen Meldung aus der Frankfurter Rundschau vom 27.4.96 zum Thema „sexuelle Gewalt“. Eine Untersuchung der Kriminalhauptkommissarin Susanne Paul aus Hannover belegt, daß die Frauen, die sich massiv gegen Vergewaltiger gewehrt haben, den Täter zu 84% in die Flucht schlagen konnten. Bei eher zögerlicher Gegenwehr erreichten immerhin 64% der Frauen den Abbruch der Tat. Hiermit wird die jahrelang (auch gerade von der Polizei) vertretene These widerlegt, daß eine Abwehr von Angriffen gegen Frauen die Täter zu einer höheren Eskalationsstufe provoziere. Diese eindrucksvolle Bilanz weiblichen Widerstands schließt jedoch nicht aus, daß in Einzelfällen Gegenwehr zur Eskalation der Situation führen kann. Gewarnt werden muß auch vor einem Umkehrschluß aus oben genannter Studie: Selbstverständlich sind Frauen/Mädchen, die sich nicht gegen sexualisierte Gewalt zur Wehr setzen (im juristischen Sinn), nicht selbst schuldig, ungeachtet ihres Aussehens, ihrer physischen oder psychischen Konstitution, ihrer Kleidung, ihres Alters, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens, ihrer Lebenszusammenhänge etc. Dies gilt natürlich nicht nur bei Vergewaltigung, sondern fängt schon bei der alltäglichen Gewalt an. Frauen/Mädchen erleben tagtäglich die unterschiedlichsten Übergriffe von Ignoranz, über Anmache bis hin zur Vergewaltigung.

Die Realität des Patriarchats ist gekennzeichnet von struktureller Gewalt gegen Frauen/Mädchen. Frauen bekommen nach wie vor weniger Lohn für gleiche Arbeit, die Sprache ist nach wie vor männerdominiert (s. tacheles N’r. 1), die Kürzungen der öffentlichen Gelder betreffen wieder mal verstärkt die Frauen, usw..

WenDo (übersetzt: Weg der Frauen) greift diese Erfahrungen auf. Bereits in den 70ern wurde in Kanada ein Konzept zur Selbstbehauptung und Selbstverteidigung) von Frauen/Mädchen entwickelt. Schon damals wurde erkannt, daß viele
Frauen nicht die Zeit – und vielleicht auch gar nicht die Lust – haben, sich einem jahrelangen Kampfsporttraining zu unterziehen. Dies erstaunt um so weniger, als die meisten Kampfsportarten leistungsorientiert sind und zudem männerdominierte Hierarchien widerspiegeln.

In der BRD wurde WenDo durch die Lesbenbewegung eingeführt und wird seitdem kontinuierlich in der Lesben-/Frauenbewegung weiterentwickelt. WenDo wird ausschließlich von ausgebildeten WenDo Trainerinnen an Frauen/Mäd-, chen weitergegeben. Das ganzheitliche Konzept umfaßt eine feministische Antwort auf Gewalt gegen Frauen/Mädchen und beinhaltet Wahr-nehmungs- sowie Körperübungen, Gespräche, Rollenspiele, mentales Training und Selbstver-teidigungslechniken. Ausgangspunkt für die frauenparteiliche Arbeit im WenDo sind erlebte oder befürchtete Erfahrungen von Frauen/Mädchen mit sexualisierter Gewalt. WenDo setzt an
den Fähigkeiten der Frauen/Mädchen an. Die Teilnehmerinnen werden sensibilisiert, ihre persönlichen Grenzen ernstzunehmen und sich als Frauen/Mädchen wertzuschätzen.

Das individuelle Handlungsspektrum wird erweitert, um eigene Bedürfnisse durchzusetzen und somit die Selbstbestimmung von Frauen/ Mädchen zu stärken.

Mittlerweile versuchen Kampfsportvereine das bewährte Konzept von WenDo zu kopieren. Überall wird Selbstverteidigung für Damen, Frauenselbstverteidigung, oder ähnliches ange-boten. Meistens werden die Kurse von männlichen Trainern geleitet, die oft die persönlichen Distanzschwellen der Teilnehmerinnen überschreiten und,/oder sie vermischen die Trainer-mit der Täterrolle (…“ich als Vergewaltiger würde“…). Um ein zumindest nach außen hin ganzheitliches Konzept zu erhalten, packen die Kampfsportvereine noch eine kleine juristische und psychologische Einheit dazu. Vielfach soll eine Bewährungsprobe als Abschluß (Leistungsprinzip) den Frauen/Mädchen dann zeigen, ob sie sich wehren können oder nicht. Bevorzugt in dunklen Parks oder auf Waldwegen erfolgen Standartangriffe und die Frauen sollen sich gegen einen wattierten Täter wehren. Zum Anderen verschleiert es die Tatsache, daß die meisten Angriffe im pesönlichen Bekannten-/ Verwandtenkreis erfolgen.

Dem stehen vielfältige Angebote des WenDo gegenüber. Frauen- und Mädchenkurse werden als Wochenendseminar, als wöchentliche Kurse, als Blockseminar, als Jahresgruppe, etc. ange-boten; es gibt Grund- und Aufbaukurse, Kurse mit speziellen Schwerpunkten wie z.B. Angriff mit Messern, usw. WenDo-Kurse können entweder privat initiiert oder über Bildungseinrichtungen/ Institutionen/Firmeo/o.ä. veranstaltet werden.

Kontakt: Judith Funke, Tel.: 0212/ 817373

Lesetip: Schlagfertige Frauen, Denise Caignon/ Gail Groves, (Hg.) Orlanda Frauen Verlag, 32 DM