Mindestens 62 Solinger Sinti und Roma, die Hälfte davon Kinder unter 14 Jahren, wurden am 3. März 1943 von der Kriminalpolizei aus den beiden städtischen Zigeuner-Lagern (Potshauser Straße 10 und Wörthstr. 24 in Solingen), zur Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz zusammengetrieben und abtransportiert. Es brauchte 64 Jahre, bis das vom Unterstützerkreis Stolpersteine für Solingen initiierte und von Heinz Siering und der Jugendhilfewerkstatt gestaltete Mahnmal für die ermordeten Solinger Sinti und Roma am 4.3.2007 auf der Korkenziehertrasse in Höhe der Potshauser Straße feierlich enthüllt wurde. Weitere sieben Jahre später, 2014, führte der Solinger Appell gemeinsam mit weiteren Initiativen zum ersten Mal aus Anlass des Jahrestages der Deportation einen Mahn- und Gedenkgang von der Innenstadt zum Mahnmal auf der Korkenziehertrasse durch. Dieser Mahngang findet seitdem jährlich statt.
Der Massenmord an den Sinti und Roma, dem nach Schätzungen im Herrschaftsbereich des deutschen nationalsozialistischen Terrorregimes ca. 500.000 Menschen zum Opfer fielen, wurde in der bundesweiten Öffentlichkeit viel zu lange verdrängt. Der 2018 verfasste gemeinsame Aufruf der bergischen Bündnisse für Toleranz, der durch die drei Oberbürgermeister von Wuppertal, Solingen und Remscheid unterstützt wird, ist daher außerordentlich zu begrüßen. Darin heißt es: Mit dem diesjährigen Gedenken zum 75. Jahrestag möchten wir nun gemeinsam dazu aufrufen, den Ermordeten angemessen und in Würde zu gedenken.
Die Städte Solingen, Remscheid und Wuppertal sollten die Verantwortung für ein jährliches Gedenken an ihre ermordeten Mitbürger*innen auch künftig annehmen und damit ein deutliches Zeichen gegen die weiterhin anhaltende Diskriminierung der Sinti und Roma setzen.
Der Rassismus gegen Sinti und Roma ist nach wie vor stark verbreitet. Dies zeigte sich auch bei der Umfrage unter Solinger Schüler*innen, die gerade im Rahmen des Projekts NRWeltoffen durchgeführt wurde. So bekennen sich 43% der Befragten zu Vorurteilen gegen Sinti und Roma.
Die Antidiskriminierungsarbeit und die Gedenkkultur müssen deutlich verstärkt werden. Rassistischen Einstellungen und rassistischer Hetze in Medien, Politik und sozialen Netzwerken muss entschiedener entgegengetreten werden.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma musste außergewöhnlich lange, zum Teil bis in die jüngste Vergangenheit hinein kämpfen, um die Ablehnungspraxis der Entschädigungsbehörden aufzubrechen. Mit rassistischen Begründungen wurden jahrzehntelang Entschädigungen für erlittene KZ-Haft, Sklavenarbeit in den Konzentrationslagern, Ausbildungs- und Berufsschäden sowie die Gewährung von Renten für erlittene Körperschäden verweigert.
Die wenigen Überlebenden Sinti und Roma der NS-Massenmorde verdienen eine angemessenere Entschädigung und Wertschätzung als dies bisher der Fall ist.
Roma, vor allem aus südosteuropäischen Ländern stellen die größte Gruppe der von Abschiebungen Betroffenen. Ihre systematische Diskriminierung in vielen europäischen Ländern wird in Deutschland nicht als Asylgrund anerkannt.
Aufgrund des deutschen Völkermords an den Sinti und Roma sollte der Bundestag beschließen, Sinti und Roma sowie ihre Nachkommen (ähnlich wie seit 1991 Juden und Menschen mit jüdischen Vorfahren aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion) die Möglichkeit zu geben, als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einzureisen.
Solinger Appell