1992 fand in Rio de Janeiro der Erdgipfel statt, dessen Botschaft vielerorts schon als Mythos angesehen wird: Die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED). Es nahmen mehr als 150 Staats- und Regierungschefs teil, wodurch sie die größte ihrer Art wurde, die jemals stattgefunden hat. Ziel war es, durch eine bisher nie erreichte Symbiose Umweltverträglichkeit, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliches Wachstum zu einer Einheit zu verbinden. Als Ergebnis dieses ”Gipfels der guten Absichten” wurden fünf Deklarationen bzw. Dokumente verabschiedet:
Die Klimarahmenkonvention, die Konvention zur Erhaltung der biologischen Vielfalt (Biodiversität), die Leitlinien zum Schutze der Wälder, als Grundsatzerklärung die sogenannte Rio-Deklaration und schließlich die ”Agenda 21”. Letztere ist zwar nicht völkerrechtlich bindend, wurde aber als sehr breites Aktionsprogramm für die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert von 178 Staaten verabschiedet.
Die Agenda 21 enthält insgesamt mehr als 2500 Handlungsempfehlungen. Sie beschreibt, was in den einzelnen Regionen der Erde getan werden soll, um der Menschheit eine ökologisch, ökonomisch und sozial angemessene Entwicklung zu sichern. Behandelt werden u. a. die Themen Armut und Bevölkerungsentwicklung, die Änderung der Konsumgewohnheiten in den Industrieländern, die wesentlichen weltweiten Umweltfragen, inkl. der ”umweltverträglichen Nutzung der Biotechnologie” und dem ”sicheren und umweltverträglichen Umgang mit radioaktiven Abfällen”, der auch die weitere Nutzung der Kernenergie beinhaltet. Weiter wird über die Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen, hierbei insbesondere Kinder und Jugendliche, Frauen, nicht-staatliche Organisationen und Gewerkschaften berichtet. Am stärksten und eindeutigsten wird allerdings die Rolle der Privatwirtschaft hervorgehoben, die sozusagen als Partner der Regierungen für die Zukunftsentwicklung Verantwortung übernehmen und in Entscheidungsprozesse integriert werden soll. Die Marktwirtschaft soll insgesamt mehr Handlungsfreiheiten bekommen, auch wenn dabei Beteiligungsrechte und staatliche Planungsvorgaben zurückgenommen werden müssen. Schließlich wird von der Einführung einer Kommunalen Agenda gesprochen, die mittlerweile im Sprachgebrauch zur lokalen Agenda 21 wurde.
Rio plus fünf
1997, dem sogenannten Bilanzjahr ”Rio plus fünf” kommen fast alle vorliegenden Stellungnahmen zu dem Ergebnis, daß auf nationaler wie internationaler Ebene ein gravierendes Umsetzungsdefizit, wenn nicht sogar Rückschritte zu den in Rio eingegangenen Verpflichtungen zu verzeichnen sind. Der allgemeine Konsens zur Nachhaltigkeit geriet ganz schnell zwischen die Mühlsteine nationaler Wirtschafts- und Lobbyinteressen und der mangelnden Bereitschaft, die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen.
Während eine ganze Reihe von Staaten, z. B. die Niederlande, Großbritannien, Österreich, die Schweiz und auch die USA bisher nationale Aktionspläne entwickelt haben, sind wir in Deutschland davon noch weit entfernt. 1996 begann das Bundesumweltministerium Gesprächskreise mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen einzurichten, die allerdings über nette Absichtserklärungen bisher nicht hinausgekommen sind. Weiter sind dabei unsere europäischen Nachbarn. Die Niederlande haben einen Umweltplan mit 200 präzisen Umweltzielen aufgestellt, die mittelfristig verbindlich angestrebt werden sollen. In Dänemark sieht der Plan ”Energy 21” vor, daß der CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2030 um 50% sinken und die Solarkraft dann ein Drittel aller Energie liefern soll. Außerdem haben die Dänen eine ökologische Steuerreform eingeführt, die sich ganz nebenbei in einer guten Arbeitsmarktbilanz niederschlägt.
Quelle: Arbeitsmarkt Umweltschutz, Herausgeber: Wissenschaftsladen Bonn
Agenda-Literatur
Jörg Bergstedt:
Agenda, Expo, Sponsoring – Recherchen im Naturschutzfilz
Ein Blick hinter die Kulissen: Filz zwischen Umweltverbänden, Staat und Wirtschaft. Wer kungelt mit wem? Welche Abhängigkeiten bestehen? Gesonderte Kapitel zu Anders-Leben-Projekten, brauner Ökologie und ”Öko”-Kapitalismus.
Band 1, 400 S., 39,80 DM, IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation
Umweltbundesamt: Nachhaltiges Deutschland
Das Buch steht im Schatten der Studie ”Zukunftsfähiges Deutschland” des Wuppertal-Instituts.
Dabei ist es ehrlicher, denn es werden drei Szenarien beschrieben und diese auch erklärt. So wird erkennbar, welche Grenzen sie haben. Allerdings geht selbst das weitestgehende Szenario nicht auf gesellschaftliche Strukturen ein. Das Buch ist insgesamt das informativste innerhalb der ”mainstream”-Debatte zur Nachhaltigkeit.
1997, E. Schmidt-Verlag, Berlin, 355 S.
Schwertfisch – Zeitgeist mit Gräten
Sammlung von Aufsätzen zur Nachhaltigkeitsdiskussion. Das wohl umfassendste und kritischste Buch zum Thema Nachhaltigkeit. Die Kapitel sind unabhängig voneinander.
1997, Yeti-Press, Bremen, 229S, 24DM
Bundesumweltministerium: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro (Agenda 21)
Original Protokoll des Erdgipfels. Wer gern der Selbstkasteiung frönt, kann sich gut mit diesem Schinken vergnügen. Die Agenda 21 ist nicht nur wegen ihres riesigen Umfanges von fast 300 eng bedruckten Seiten, sondern auch wegen ihrer umständlichen Verhandlungssprache und ihres in der Sache auf Konsensfähigkeit getrimmten Stils ein schwer verdauliches bzw. lesbares Dokument.
Kann zusammen mit weiteren Agenda Infos bezogen werden bei: Agenda-Transfer, Berliner Platz 23, 53111 Bonn