BAYER will MONSANTO schlucken
BAYER setzt dazu an, ein Monopol über die globalen Agro-Märkte zu errichten und damit die Kontrolle über wichtige Glieder der Nahrungsmittel-Kette zu erlangen. Auf entsprechend großen Widerstand stößt das Vorhaben.
„Wir sind seit langem von MONSANTO beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde“, mit diesen Worten begründete BAYER-Chef Werner Baumann die Übernahme-Pläne. 62 Milliarden Dollar bietet der Leverkusener Multi aktuell für die US-Gesellschaft.
Eine Akquisition dieser Dimension hat ein bundesdeutsches Unternehmen bisher noch nie bewerkstelligt – und in diesem Jahr weltweit noch keine andere Firma. Gelänge der Coup, würde der mit Abstand größte Agro-Konzern der Erde entstehen. Einen „bedeutend größeren Fußabdruck auf dem Globus“ würden die zusammengelegten Geschäfte der beiden Firmen hinterlassen, frohlockt der Leverkusener Multi. In seinen Werbe-Broschüren zum Übernahme-Plan errechnet er auf Basis der 2015er Zahlen stolz einen gemeinsamen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und Dupont/Dow folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden.
Bei den Pestiziden kommen BAYER und MONSANTO zusammen auf einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte auf einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominierende Position. Entsprechend besorgt reagierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren. „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.
Und das umso mehr, als sich da wirklich The Bad & the Ugly vermählen würden. Was dem US-Unternehmen sein Glyphosat, das ist dem Leverkusener Multi sein Glufosinat, was dem US-amerikanischen Agro-Riesen seine Gen-Pflanzen der Produktreihe „ROUND UP“, das sind seinem deutschen Pendant die LIBERTY-LINK-Ackerfrüchte. Gesundheitsschädliche Chemikalien wie Polychlorierte Biphenyle (PCB) und vietnamkriegstaugliche Agrochemikalien produzierten beide. Und BAYER war im Gegensatz zu MONSANTO sogar schon 1914-1918 und 1939-1945 Kriegsteilnehmer. Trotzdem tischen viele Zeitungen bei ihrer Berichterstattung über den geplanten Deal die Mär vom Umweltengel aus Leverkusen auf, der sich auf einen Pakt mit dem Teufel einlassen will.
Das aktuell auf 55 Milliarden Euro bezifferte Gebot des deutschen Global Players, „der sich in den vergangenen Jahren viel Mühe gegeben hat, als sauberes Unternehmen dazustehen“ (Rheinische Post), markiert den vorerst letzten Zug in einem makabren Monopoly-Spiel um eines der wichtigsten Güter der Menschheit: der Nahrung. Eröffnet hatte es MONSANTO selber, mit dem Begehr, SYNGENTA zu übernehmen. Die Schweizer aber bevorzugten ChemChina als neuen Partner, und plötzlich mochten auch Dupont und Dow nicht mehr auf eigenen Füßen stehen – sie fusionierten. Mit dieser Entwicklung beschleunigte sich der Konzentrationsprozess im Agro-Business noch einmal, der vor rund 20 Jahren begann. Im Saatgut-Bereich etwa hatten sich 1985 noch keine oligopolartigen Strukturen herausgebildet. Die zehn größten Anbieter kamen bloß auf einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent. 2011 sah das jedoch schon ganz anders aus, da teilte die damalige Top 10 bereits 75,3 Prozent des Geschäfts unter sich auf. Einen wesentlichen Antrieb für die neue Übersichtlichkeit stellte dabei die Gentechnik dar. Sie verlangte nämlich nach einer vertikalen Integration. „Ein neues Gen ist nutzlos ohne einen hochwertigen Grundstock von Saatgut, in das es eingebaut werden kann, und eine Infrastruktur, die solches bereitstellt“, wie es ein Finanz-Analyst einmal formulierte.
Käme BAYER bei MONSANTO zum Zuge, so erlangte der Leverkusener Multi aber nicht nur die Hoheit über die Esstische. Der Deal hätte noch weitere negative Folgen. Die LandwirtInnen etwa müssten sich auf höhere Betriebskosten einstellen, denn diese steigen verlässlich in Korrelation zum Monopolisierungsgrad der Branche. Allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut haben sich in den vergangenen 20 Jahren nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums vervierfacht.
Überdies hätten die LandwirtInnen noch weniger Auswahl. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht. An eine Landwirtschaft ohne Gifte verschwenden die Konzerne keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Uralt-Mittel zu finden. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den FarmerInnen bleibt nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler.
Die bei Transaktionen dieser Art immer gerne beschworenen „Synergie-Effekte“ schließlich lassen ebenfalls Böses ahnen. Der bundesdeutsche Agro-Riese konnte diese sogar schon genau beziffern: mit 1,5 Milliarden Dollar zusätzlicher Einnahmen nach drei Jahren Baysanto rechnet er. Dazu dürfte die Arbeitsplatz-Vernichtung durch Beseitigung von Doppel-Strukturen einiges beitragen. Einen Job-Abbau – sei es zur Reduzierung der durch den Deal anfallenden Schulden oder im Zuge der Zusammenführung der Unternehmen – hat der Global Player ausdrücklich nur hierzulande ausgeschlossen. „Rationalisierungsmaßnahmen zur Finanzierung der Akquisition werden in Deutschland nicht stattfinden“, heißt es in einer mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Vereinbarung. Über die Grenzen schauen die Gewerkschaftler also offenbar nicht – ein Tief der internationalen Solidarität.
Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour des Multis noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der Merck-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Konzern nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Und prompt hat er die Akquisition dann auch von der Steuer abgesetzt und damit vor allem seinen Stammsitz Leverkusen noch tiefer in die Verschuldung getrieben.
Den Grünen der Stadt schwant deshalb wieder Schlimmes. „Die Übernahme von MONSANTO ist teuer. Dies dürfte zur Folge haben, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt Leverkusen weiter sinken“, erklärte die Partei. Auch der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter kritisiert das Vorhaben des Unternehmens: „Die BAYER-Bosse folgen reiner Gewinn-Maximierung. Der geplante Deal würde die Welt nicht besser machen, sondern schlechter.“ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Elvira Drobinski-Weiß bewertete das BAYER-Ansinnen unterdessen als „sehr problematisch“, weil die Gentechnik damit in der Bundesrepublik zu einem Wirtschaftsfaktor aufstiege und ergo mit mehr Macht auf die Äcker drängen würde. Die „Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft (AbL) spricht sich ebenfalls gegen Baysanto aus. „Durch die Fusion würde der Saatgut- und Pestizidmarkt noch weiter monopolisiert“, erklärte der Verband. Die US-amerikanische „National Farmers Union“ teilt im Gegensatz zur – von BAYER großzügig gesponserten „American Farm Bureau Federation“ – die Befürchtungen. „Das wird todsicher zu weniger Wettbewerb führen, und als direktes Resultat davon werden die Farmer höhere Preise zahlen, als sie es sonst müssten“, soNFU-Präsident Roger Johnson.
Ein Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) schrieb in der Sache deshalb einen Brief an das Bundeskartellamt. „Wir versichern Ihnen, dass wir bei unseren Fusionsprüfungen sehr gewissenhaft die Märkte betrachten und dies auch künftig so handhaben werden, um den Wettbewerb zu schützen“, antwortete die Behörde. Auch die EU-Wettbewerbskommission, bei welcher der Fall wegen seiner großen Tragweite wohl landen wird, erhielt ein Schreiben. Die Coordination verlässt sich allerdings nicht auf die Reaktionen der politischen Institutionen. Sie organisiert gemeinsam mit Partnern wie Sum Of Us und Campact einen breiten Widerstand gegen die Übernahme. Anfang Juni hat die CBG etwa zum Düsseldorfer „March against MONSANTO“ bzw. „Terra Viva March“ mobilisiert und dort auch gesprochen.
Der Faz graut indessen schon vor der nächsten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. „Wenn sich heute schon das überwiegende Gros der Hauptversammlungsredner zu Themen äußert, die nicht viel mit Bilanzen zu tun haben, möchte man sich die Diskussionsinhalte künftiger BAYER-Aktionärstreffen lieber nicht ausmalen“, schreibt die Zeitung. Ängstlich schaut sie darauf, was sich da gegen den nach noch mehr Größe strebenden Konzern zusammenbraut und wirft ihm vor, „diese von breiten Bevölkerungsschichten getragene gesellschaftliche Stimmung gegen aggressive Agrochemie-Konzerne und ihre Patente“ zu ignorieren und „nur noch auf Zahlen“ zu schauen.
Und in der Tat ist es diese Rendite-Fixierung von BAYER & Co., die das zynische Monopoly-Spiel um die Welternährung und ähnliche Entwicklungen in anderen Wirtschaftsbereichen anheizt. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dokumentiert dies einmal mehr die Dringlichkeit, die Multis unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen. Waren es laut einer Studie der ETH Zürich 2011 noch 147 Konzerne, die den gesamten Weltmarkt beherrschten, so dürfte ihre Zahl bis heute noch einmal deutlich gesunken sein. Allein 2015 belief sich der Wert der Fusionen auf rund fünf Billionen Dollar. Und das Jahr 2016 könnte diese Summe dank Baysanto noch übertreffen. Die Welt steuert also – mit freundlicher Unterstützung von Freihandelsabkommen wie TTIP, die staatliche Rechte auf Unternehmen übertragen – auf eine Diktatur der Konzerne zu, hinter denen wiederum eine Gruppe weniger Ultra-Reicher steht.
Damit ist es höchste Zeit, die Eigentumsfrage zu stellen und in den sozialen Bewegungen verstärkt über die Alternativen und deren Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die CBG fordert:
– Die Fusion der beiden Konzerne muss gestoppt werden!
– Die Konzerne vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle stellen (wie es etwa die Landesverfassung von NRW vorsieht)!
– Das Profitprinzip muss fallen und einem Solidarprinzip weichen!
Jan Pehrke