Opfer eines unmenschlichen Systems

KZ-Verbrechen an einem jungen Solinger Arbeiter nach 55 Jahren aufgedeckt

Der Fall Werner K. steht beispielhaft für ein unmenschliches System, das nach dem bekannten Prinzip “Vernichtung durch Arbeit” politisch motivierte und nicht angepaßte Menschen zugrunde richtete”. Zu diesem Ergebnis kommen Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) hinsichtlich des Schicksals eines im KZ Stutthof bei Danzig umgekommenen Solinger Matrosen.

Zusammen mit einigen AntifaschistInnen recherchierte die VVN ein Jahr lang den bis dahin ungeklärten Leidensweg des KZ-Häftlings Werner K.: Der 1919 in Höhscheid geborene K. tritt mit 20 Jahren in die Marine ein. Hier dient er etwa ein Jahr und wandert für vergleichsweise banale Vergehen (z. B. Versuch, sich Landurlaub zu erschwindeln) in schöner Regelmäßigkeit in den Knast. Die damaligen Akten bescheinigen ihm in wohlgeschliffenem Amtsdeutsch eine “schlechte Führung”; zudem sei er “dienstuntüchtig”, “körperlich schlapp” und vor allem eine “Gefahr für die sehr junge Besatzung”. Es folgt die Überweisung in eine Art Sondererziehungsanstalt für auffällig gewordene und von der Kriegsmarine nicht mehr zu disziplinierende Matrosen. Werner K. ist jetzt einer äußerst rigiden und demütigenden Behandlung unterworfen. Jeder noch so kleine Verstoß gegen eine Vorschrift (z.B. Essen während der Dienstzeit) wird mit drakonischen Strafen wie etwa Arrest, Essensentzug oder Strafdienst geahndet. Dabei gehen Strafe und Vergehen meist nahtlos ineinander über: Dem Essensentzug folgt beispielsweise die Aburteilung wegen ungenügender Arbeitsleistung. Ende 1941 wird Werner K. aus der Wehrmacht entlassen und der Gestapo übergeben, die ihn in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig überführt. Als Grund wird “Wehrsabotage” angeführt. Ein halbes Jahr später ist Werner K. tot. Die Akten nennen als Todesursache Fleckentyphus und Herz-Kreislaufschwäche. Tatsächlich wurde der Mann systematisch zu Tode geschunden. Wenngleich die Frage offen bleiben muß, ob Werner K. in seiner Haltung politisch motiviert war oder nicht, steht jedoch fest, daß er mit seinem ungehorsamen und unangepaßten Verhalten nicht in die Kriegsmaschinerie der Nazis paßte und dafür mit seinem Leben bezahlen mußte. Diesbezüglich ist Werner K. kein Einzelfall. Er steht für tausende ähnlich gearteter Leidenswege.

F. Prinz