Aus dem Bergischen Löwen wurde eine zahnlos fletschende Sphinx
Da hat sich der gebürtige Sachse dreiunddreißig Jahre in der CDU hochgedient: Von der Jungen Union in Solingen bis zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Verteidigungsminister. Ein steiniger Weg über ungezählte Skandale, die er in Siege verwandelte und parteiinterne Konkurrenten, aus denen er Opfer machte. Selbst die Stern-Reporterin Uschi Neuhauser konnte dem “Rüstungslobbyist” (Die Zeit) nichts anhaben, als sie damals über seinen peinlichen PR-Auftritt im Übergangsheim Unna-Massen schrieb: “ … der kleine Mann mit dem dunklen Schnauzer, der sich ständig ins Bild schiebt und seine staatstragende Düstermine zu einem geilen Anmachblick a la Clark Gable mutieren läßt.” Wer kennt heute noch Frau Neuhauser?
Wer kennt heute noch Tennishallen Kienel, Ex-Oberstadtdirektor Schmitz-Herrscheid und Benno Burghaus? Und selbst derjenige, der die mit diesen Namen verbundenen Skandale noch kennt, ist gut beraten sich nicht daran öffentlich zu erinnern. Schließlich droht der Bergische Löwe mit deftigen Geldstrafen in einem solchen Fall.
Und da wäre noch die Geschichte mit der Flutlichtanlage für die Union-Kicker. Der arme Bernd, was hat er alles für diesen Verein getan, in den er von seinen Parteifreunden als Kandidat für das Präsidentenamt hineingedrängt wurde, weil dies für seine Politkarriere besser wäre. Und kaum ist er im Bundestag, muß er dort als “Hinterbänkler” seinen Ruf, “am Rednerpult unschlagbar” zu sein, verteidigen. So kann er also nicht mehr Präsident des Zweitligavereins Union sein, da steigen die Deppen ab, obwohl er es ihnen doch verboten hat (“Wir werden nicht absteigen. Dafür werde ich sorgen!” – Tageblatt). Wie muß das weh tun, selbst unaufhaltsam auf der persönlichen Karriereleiter aufzusteigen, während sein Verein von Klasse zu Klasse deklassiert.
So etwas ist nur zu verkraften, wenn es mit höheren Aufgaben kompensiert wird. Und so widmet sich “der liebe Bernd” (Volker Rühe) der Weltpolitik (“Je mehr du hast, je mehr du wilzt”). Dem langjährigen Tageblatt-Redakteur Wolfgang Koch alias Knox (Ach, waren das noch Zeiten, als das ST noch Leute hatte, die schreiben konnten) hatte Wilz schon früh diese Bestimmung gebeichtet. Nach seinen Vorbildern gefragt, nannte der Schülermeister im Weitsprung nämlich keine geringeren als Alexander den Großen, Cäsar, Napoleon und Bismarck. Wie gut, daß Knox Redakteur und kein Psychiater war. Einer von den Vieren hätte ja schließlich vollkommen ausgereicht.
Da er mit der englischen Sprache “auf Kriegsfuß stand” (“An den Hauptschulen muß Rechnen und Schreiben wieder wichtiger werden als ein paar Englisch-Vokabeln”), wurde der Oberst der Reserve, dem “beim Abschießen deutscher Minenmunition immer wieder das Herz höher schlägt”, gen Osten eingesetzt. Schon frühzeitig hatte er mit weltmännischem Weitblick erkannt, daß Gorbatschows Friedenspolitik lediglich “Schalmeiengesänge” wären, und “die Bedrohungslage unverändert sei”. Damals rühmte er sich als erster westlicher Politiker in der Nähe von Moskau, die kriegsnahe Übung einer speziellen Eliteeinheit der Roten Armee beobachtet zu haben. Pech, daß der Autor dieser Laudatio und mindestens drei weitere ihm bekannte Solinger bereits vor ihm als Zivilisten dem gleichen Spektakel dieser potemkischen Eliteeinheit beigewohnt hatten, alldieweil so etwas damals zum Standardprogramm für Gäste der KPdSU gehörte.
Daß jemand wie Wilz, der neuerdings keine Gelegenheit ausläßt, die “klassischen preußischen Tugenden wie Toleranz, Fleiß, Pünktlichkeit, Treue und Hingabe für eine Sache”, zu beschwören, seine an ihn persönlich adressierte Post nicht zur Kenntnis nimmt, ist schon etwas seltsam, wo er doch andererseits stolz darauf ist, daß sich seit 1983 über 12.000 Solinger und Remscheider mit unterschiedlichen Bitten an ihn gewandt haben und jeder eine Antwort bekam (Wochenpost 9.6.1998). Aber das kann selbst einem Bergischen Löwen passieren, wenn die Last von Amt und Mandat ihn zu einer zahnlos fletschenden Sphinx hat werden lassen. Jedenfalls soll sich der “Spiegel” doch nicht so aufregen, wenn das Wilz-Büro an der Lieferung von Bundeswehrmaterial an ein “Kameradenwerk Korps Steiner”, zu dem auch ehemalige Angehörige der Waffen-SS zählen, beteiligt war. Wenn sich der Vorsitzende dieser dubiosen Kameradschaft in einem weiteren Schreiben an Wilz persönlich als Ex-Hauptsturmführer der Waffen-SS outet, kann das ja schon mal verschütt gehen, damit das eigentliche “humanitäre Anliegen” nicht gefährdet wird. Wo steht denn auch geschrieben, daß das Lesen von persönlich adressierten Briefen eine preußische Tugend sei?
Wie schade, daß der “liebe Bernd” gerade jetzt erwischt wurde, wo er mit seinem Protagonisten Rühe, der neben Schäuble als Kohlnachfolger gehandelt wird, noch weiter aufsteigen könnte.
Bitte, liebe WählerInnen, geben Sie diesem Kandidaten nicht noch am 27. September den Rest. Und lassen Sie sich nicht von dem schönen Bild auf seinem Wahlplakat täuschen*. Visagisten und Fotografen sind heute in der Lage, selbst aus dem verlebtesten Säufergesicht einen jugendlichen Clark Gable werden zu lassen.
Frank Knoche
*Der Mann ist fertig!