Bürgerantrag gegen Kissel wurde vom Rat abgelehnt

Offizielle Treffen mit dem Volksverhetzer ”im Einzelfall” kein Problem

110 SolingerInnen und 33 BewohnerInnen umliegender Städte hatten in einem Bürgerantrag gefordert,

  1. den Firmen des Volksverhetzers, Auschwitzleugners und rechtsextremistischen Bauunternehmers Günther Kissel, der im März ‘97 von den Solinger Unternehmern der Bau-, Straßenbau-, und Zimmererbranche einstimmig zum Vorsitzenden der Baugewerbe-Innung gewählt wurde, keine Wohnungsbaufördermittel mehr zu geben,
  2. sie bei beschränkten Ausschreibungen nicht mehr zur Angebotsabgabe aufzufordern, und
  3. keine Einladungen mehr an die Bauinnung der Kreishandwerkerschaft auszusprechen sowie keine Vertreter der Stadt Solingen zu Treffen mit der Bauinnung zu entsenden, solange Günther Kissel als Obermeister der Bauinnung fungiert.

Wie nicht anders zu erwarten, wurde der Antrag schon in der Verwaltungsvorlage verworfen. Oberbürgermeister Ulrich Uibel (SPD) sagte in der Sitzung der zuständigen Unterkommission des Rates am 17. 3. 98, er habe sich der Formulierung der Ablehnungsempfehlung gegen die 3. Forderung persönlich angenommen. Interessant ist die lapidare Begründung: ”Bei Einladungen der Bauinnung an Mitglieder des Rates und der Verwaltung muß es den Adressaten im Einzelfall überlassen bleiben, ob sie von der Einladung Gebrauch machen oder nicht. Eine generalisierende Beschlußfassung im Sinne der Anregung ist weder praktikabel noch durchsetzbar.”

Hier konnte kein wie auch immer hergeleitetes rechtliches Hindernis konstruiert werden, denn natürlich kann der Rat die Aufforderung aussprechen, daß die VertreterInnen der Stadtverwaltung und des Rates sich nicht mehr an offiziellen Treffen mit der Bauinnung beteiligen und sich  händeschüttelnd mit dem aktiven Rechtsextremisten Kissel beratschlagen sollen. Also erklärt sich der Rat für nicht zuständig.

Auf der Titelseite der Solinger Morgenpost vom 5. 5. 98 konnte man sie denn wieder gemeinsam beim ”7. Kommunalpolitischen Handwerkergespräch der Kreishandwerkerschaft” bewundern: Zwischen Uibel und Kreishandwerksmeister Becker, leicht im Hintergrund: Günther Kissel. Offensichtlich ebenfalls ”im Einzelfall” kein Problem mit dieser Art von Treffen mit dem Auschwitzleugner hatten Heinz-Eugen Bertenburg (FDP), Hans-Werner Bertl (SPD), Franz Haug (CDU), Erika Rothstein (SPD), Ernst-Martin Walsken (SPD), Horst Westkämper (CDU) und Bernd Wilz (CDU).

Aber zurück zu der Behandlung des Bürgerantrages. Nachdem die Antrag-stellerInnen die einschlägigen braunen Zitate von Kissel vorgelesen hatten, die auch dem Wuppertaler Landgericht 1997 reichten, um die Bezeichnung Kissels als ”Volksverhetzer und Auschwitzleugner” als für diesen nicht beleidigend einzustufen, forderten sie ein Zeichen des Rates. Er sollte sich von Kissel distanzieren und deutlich machen, daß ein öffentliches Amt wie das des Obermeisters nicht mit einem aktiven Rechtsextremisten vereinbar ist. Auch die Tatsache, daß Ratsmitglieder privat von Kissel bauen lassen und dabei offenbar keinerlei Problem haben, einen Rechtsextremisten zu unterstützen, blieb nicht unerwähnt. Angesprochen wurde ebenfalls, daß Kissel seine volksverhetzenden Ergüsse an seine MitarbeiterInnen verschickt und so seine Firma für rechtsextreme Propaganda nutzt.

Danach war die Politik an der Reihe: Ein wenig betroffen von den Zitaten Kissels waren sie schon, aber dann kam wieder business as usual auf. Uibel erklärte die Versuche, Kissel in dieser Stadt politisch zu isolieren als ”hilflos und nicht tauglich”. Kurzrock (FDP) nannte ”die andere Seite des Günther Kissel” ”schon obskur”, meinte jedoch, vielleicht sei die Tatsache, daß die Republikaner in Solingen nicht im Stadtrat seien, auch dem Umstand zu verdanken, daß Kissel ”noch Glied dieser Gesellschaft” sei. Jacobi (CDU) erklärte ”sicherlich ist Günther Kissel eine schillernde farbenprächtige Figur, aber hier geht’s um die Firma, um Aufträge an die Firmengruppe.” Einzig der grüne Fraktionssprecher Krause stellte sich hinter den Bürgerantrag. Er sah die Frage, ob die Nutzung der Firmen für rechtsextreme Propaganda nicht ein Grund für die Ausschließung von Vergaben ist, als von der Verwaltung nicht geklärt. Aus dem Publikum wurde Uibel noch gefragt ”Würden sie denn Mitarbeitern zugestehen, sich zu weigern, ihm Aufträge zu geben, weil diese sagen, diese Entscheidung kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren:” Uibel meinte dazu, er würde sagen, ”Kollege mach es”. Doch solcherlei Bekennermut zeigte er bei seiner eigenen Abstimmung nicht: Mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP gegen die Grünen wurden alle 3 Punkte des Bürgerantrages abgelehnt. Zum Schluß bekamen die AntragsunterzeichnerInnen noch einen Rat vom Kommissionsvorsitzenden Püschel (SPD) mit auf den Weg: ”Je mehr die Person Kissels thematisiert wird, desto stärker scharen sich diejenigen um ihn, die es anders sehen.” Deswegen hätten ”alle diese Anstrengungen auch etwas Kontraproduktives” und sollten besser unterlassen werden.

Ein schönes Beispiel für Zivilcourage!

Krabat