Werner Böwing über das Bündnis für Arbeit
Es ist schon einige Jahre her, da gab es einen zeitweilig sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Karl Schiller. Schiller, Professor Karl Schiller beeindruckte die Öffentlichkeit durch immer neue Wortschöpfungen. Einer dieser neuen Begriffe war die ”konzertierte Aktion”. Diese hatte mit Musik nur insofern etwas zu tun, als sie in Zeiten der Hochkonjunktur, als es noch keine Arbeitslosen gab, den Gewerkschaften die marktwirtschaftlichen Flötentöne beibringen sollte. Das geschah, indem Schiller Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften, die damals noch stark waren, an einen Tisch holte. Hauptsächlich den Gewerkschaften wurde geraten, aus staatsbürgerlicher Verantwortung, doch bitte schön keine, wie er es nannte, überzogenen Lohn- und Gehaltsforderungen zu stellen.
Nicht immer haben sich die Gewerkschaften von Schiller belabern lassen, und darüber war der Professor sehr böse. Neben der konzertierten Aktion gab es aber auch noch andere Formen der Einflussnahme auf die Tarifautonomie. So wurden sozialpartnerschaftlich eingestellte Gewerkschaftsobere veranlasst, mit einer moderaten, für die Situation viel zu niedrigen Lohn- und Gehaltsforderung vorzupreschen. Stand diese Forderung erst einmal im Raum, wurde gar ein mäßiger Tarifvertrag abgeschlossen, dann war es anderen Gewerkschaften kaum noch möglich, über die einmal gesetzte Marke zu besseren Lohn- und Gehaltsabschlüssen zu kommen.
Wenn dann Monate später bestimmte Gewerkschaftsvorsitzende den Wirtschaftsprofessor auf Weltreisen begleiten durften, dann soll es Kollegen gegeben haben, die zwischen dem einen und zwischen dem anderen einen gewissen Zusammenhang gesehen haben.
Heute spielt eine andere Musik. Bündnis für Arbeit nennt sich jener runde Tisch seit einigen Jahren. Das fing ganz harmlos an. Der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft, der IG Metall machte den Vorschlag, auf Teile von Einkommenserhöhungen zu verzichten, wenn dafür im Gegenzug die Arbeitgeber Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen würden. Diese Idee wäre ja gar nicht so unvernünftig gewesen, wenn sie auf faire Partner gestoßen wäre. Aber jede Idee muss sich letztendlich am Ergebnis messen lassen.
Nicht ein einziger Arbeits- oder Ausbildungsplatz wurde durch dieses ”Bündnis” geschaffen, aber die Einkommenszuwächse, die gab es nicht, im Gegenteil: die Realeinkommen sanken.
Jetzt nach der Bundestagswahl soll ein neuer Versuch unternommen werden, ein Bündnis für Arbeit auf die Beine zu stellen. Ich halte diese Bemühungen für sinnvoll und notwendig, im Zweifelsfalle, angesichts der Arbeits- und Lehrstellenmisere zumindest einen Versuch wert. Ob das Bündnis diesmal den Arbeitnehmern nutzt, bleibt abzuwarten. Viel hängt davon ab, ob sich die Partner im Hinblick auf mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze ernsthaft und ehrlich bemühen. Erste Querschüsse aus dem Arbeitgeberlager lassen nichts Gutes erwarten. Mitmachen, so die Arbeitgeber, wolle man nur, wenn der als ”Reform” verfälschte Sozialabbau beibehalten und nicht rückgängig gemacht würde. Konkret, wenn es bei der gekürzten Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle bleiben, und auch der Abbau beim Kündigungsschutz nicht revidiert würde.
Obwohl es inzwischen auch andere Stimmen aus dem Arbeitgeberlager gibt, sollte man sich nicht wundern. Arbeitgeber, Unternehmer vertreten ihre Interessen und das sind nicht die gleichen wie die Interessen der Arbeitnehmer.
Wundern darf man sich nur über den DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte. Der erklärte kurz nach der Bundestagswahl, dass im Falle einer für untere und mittlere Einkommen günstigen Steuerreform eine Zurückhaltung bei Lohn- und Gehaltsforderungen seitens der Gewerkschaften erwartet werden kann.
Was mag Schulte veranlasst haben, solche Töne anzuschlagen? Dummheit kann es doch nicht sein. Nachdem den Lohn- und Gehaltsempfängern in den letzten Jahren mehrfach das Fell über die Ohren gezogen worden ist, haben sie nichts, aber auch gar nichts zu verschenken! Verzichte an Kündigungen sind das falsche Signal. Es kann doch nicht gut gehen, wenn die Arbeitgeber mit Forderungen an den Verhandlungstisch gehen, von der Gewerkschaftsseite mit vorauseilenden Zugeständnissen zu reagieren.
Außerdem, wo nimmt Schulte die Legitimation für seine Erklärung her. Tarifverhandlungen werden noch immer von den Einzelgewerkschaften und nicht vom DGB geführt und das muss auch so bleiben.
Aber soviel steht jetzt schon fest: Die Mäßigungserklärungen von Schulte wird die Gewerkschaften bei den kommenden Tarifverhandlungen belasten. Dieter Schulte hat den Arbeitnehmern mit seinem unqualifizierten Vorschlag einen Bärendienst erwiesen und das nicht zum ersten Mal während seiner Amtszeit.
Werner Böwing
Werner Böwing war jahrzehntelang Geschäftsführer der IG Bau-Steine-Erden in Solingen. Seine Lebenserinnerungen „an den Versuch, mit der Luftpumpe die Windrichtung zu ändern“ sind im Buchhandel erhältlich.