Die Connection Ljubljana – Solingen

Zwei Solinger, beide wohnhaft in Ljubljana, haben im letzten Jahr kulturell national und international für Furore gesorgt und bemerkenswerte Dinge in Bewegung gesetzt, die es verdient haben auch in Solingen zur Kenntnis genommen zu werden.

Ulay – Werkschau in der Frankfurter Kunsthalle Schirn

Im Herbst des letzten Jahres tauchte die Frage auf, ob den 1943 in Solingen geborenen Künstler Ulay in seiner Heimatstadt jemand kenne. Ulay, eine typische im Bergischen Land gebräuchliche Abkürzung, steht für Frank Uwe Laysiepen – zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben des Vor-und Nachnamens.
Ulay hatte im Herbst 2016 eine große Werkschau in der Frankfurter Kunsthalle Schirn. Er war der ehemalige Partner der Performancekünstlerin Marina Abramović, deren Beziehung 1988 damit endete, dass jeder der beiden von einem anderen Ende der Chinesischen Mauer aus 2.500 km weit lief: das Zusammentreffen in der Mitte war das Ende ihrer Beziehung.
Er ist dadurch bekannt geworden, dass er das Lieblingsbild des Führers, das Spitzweg-Gemälde „der arme Poet“ 1974 aus der Nationalgalerie in Berlin in einer Performance-Aktion entfernt hat und in Kreuzberg bei einer türkischen Familie im Wohnzimmer aufgehängt hat:
„Als ich bei einem Berlin-Besuch das Spitzweg-Gemälde in der Neuen Nationalgalerie sah, hat mich das wahnsinnig aufgeregt. Es gilt schließlich als eines der Lieblingsbilder von Hitler. Was hatte es hier in einem Museum für moderne Kunst zu suchen?“
Seine Performances zeichnen sich durch Radikalität aus. So band er sich mal tagelang an den Haaren fest, nähte sich ein anderes Mal den Mund zu, oder ließ sich Haut chirurgisch entfernen. Er und Marina Abramović gelten als DIE Pioniere der Performance-Kunst.
Für mich war der Name Ulay bis vor kurzem kein Begriff, und ich bin ihm hier in Solingen nie begegnet. Die Berichte in den Medien über sein Zusammentreffen mit Marina Abramović hatte ich zwar zur Kenntnis genommen hatte – nur, dass Ulay gebürtiger Solingen ist, war mir bis vor kurzem nicht klar. Durch die Radikalität seiner Arbeit war er mir aber stets sympathisch.
Ich kontaktierte den in Ljubljana lebenden Musiker und Filmemacher Peter Braatz mit der Frage, ob er den Perfomance-Künstler Ulay kennt. Er wusste, dass Ulay in Ljubljana lebt und aus Solingen kommt, kannte ihn aber nicht persönlich: „Ich habe aber seine Telefonnummer an meiner Pinnwand hängen.“ äußert sich Peter Braatz, „Mein Freund hat einen Film mit ihm gedreht und mir die Nummer gegeben.“
Peter Braatz stand zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Veröffentlichung seines Filmes Blue Velvet Revisited.

David Lynch on the set of Blue Velvet 1985 Foto: Peter Braatz

Peter Braatz – Blue Velvet Revisited – ein Stummfilm

Als David Lynch 1985 in Wilmington, North Carolina, seinen Film „Blue Velvet“ drehte, war Peter Braatz, zu diesem Zeitpunkt Filmstudent und Musiker (man kennt ihn auch als Harry Rag von der Punk-Band S.Y.P.H.), von David Lynch eingeladen, um den Dreharbeiten vor Ort bei zu wohnen. Er dokumentierte den Entstehungsprozess des Filmes auf Super-8-Film und schoss zusätzlich mehr als 1.000 Fotos. Zudem interviewte er die Hauptdarsteller Isabella Rossellini, Dennis Hopper, Kyle MacLachlan und Laura Dern sowie den damals noch nicht wirklich berühmten Regisseur. Niemand konnte ahnen, welche cineastische Bedeutung dieser Film einmal bekommen würde. David Lynch war aber von vorn hinein klar, dass hier etwas Besonderes entstehen würde, wie der Regisseur sich in einem Interview dazu äußerte.
Im Jahre 2014 entschloss sich Peter Braatz, das von ihm 1985 gedrehte Material nochmal neu zu sichten. Er schrieb ein Script und schnitt einen Trailer, um dies bei der Filmförderung einzureichen. Dazu unterlegte er die Bilder mit einem Stück der Londoner Band „Cult With No Name“. Da Peter Braatz erkannte, dass die Musik zur Atmosphäre der Bilder äußerst passend ist, fragte er Eric Stein von „Cult With No Name“, ob sie nicht den kompletten Soundtrack zum Film produzieren wollten. Da bei diesem Stück auch die amerikanische Band „Tuxedomoon“ mitgemischt hatte, wurde der Soundtrack zum Film dann im Jahr 2015 zusammen mit „Tuxedomoon“ neu produziert, zu dem auch Ex-Ultravox-Frontmann John Foxx, seine Stimme zu dem Song „Lincoln Street“ beigesteuert hat.
Die CD erschien bereits vor der Film auf dem belgischen Label CRAMMED DISCS und erhielt weltweite Aufmerksamkeit und Rezensionen.
Zu diesem bereits bestehenden Soundtrack schnitt nun Peter Braatz die Bilder. Der Schnitt orientiert sich am Rhythmus der Musik. Diese vermeidet Anklänge am Originalscore von Angelo Badalamenti und pendelt zwischen wunderschönem Elektro-Pop und verstörender Dissonanz. Die CD und der Film wurden weltweit z.B. im Hollywood-Reporter, Vogue, Stern und Focus besprochen.
Der Film hatte am 7. Oktober 2016 in London auf dem 60th BFI – Festival Premiere und wurde anschließend auf verschiedenen Dokumentarfilm-Festivals (Chicago, Paris, Linz, Shangai, Belfast, San Francisco u. v. a. aufgeführt). Er lief ebenso auf David Lynch’s „Festival of Disruption“, das der Regisseur anlässlich des 30 Jährigen Blue Velvet Jubiläum im Ace Hotel in Los Angeles veranstaltete.
Blue Velvet Revisited ist ein Film über den Entstehungsprozess eines Filmes, ist ein Stummfilm mit Musik, komponiert Filmsequenzen, einige wenige Tonaufnahmen, Fotografien, Gemälde, Objekte und Relikte zu einem neuen, Dokumentarfilm – eine Geschichte, die keiner Erzählung bedarf – eine Neuinterpretation als Reise und Meditation in Bilder.

Rolf Michael

Weitere spannende Informationen zu den Künstlern unter:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulay

http://belafilm.si/en/seznam-filmi/blue-velvet-revisited/