Seit dem 1.1.2017 gelten neue Unterkunftskosten für HilfeempfängerInnen. Die erhoffte Erhöhung war allerdings nur unzureichend und liegt nur vier Euro über dem Wert vom Juli 2012. So stellt sich die Entwicklung folgendermaßen dar:Im Vergleich zu der am 1.1.2015 in Kraft getretenen Regelung erhöhten sich die Obergrenzen für Grundmiete und Nebenkosten pro m² für die verschiedenen Haushaltsgrößen wie folgt:
Bei einer Person um 0,34 €, bei zwei Personen um 0,26 €, bei drei Personen um 0,20 €, bei vier Personen um 0,45 €, bei fünf Personen um 0,29 €.
Etwas mehr als 50 % der Bedarfsgemeinschaften sind Ein-Personen-, sogenannte Single-Haushalte. Vier und mehr Personen-Haushalte sind im Vergleich dazu marginal vorhanden. Deshalb ist es richtig, sich bei der Bewertung der Regelung der Kosten der Unterkunft auf die Single-Haushalte zu konzentrieren.
Die Höchstmieten bei den Grundmieten wurden also in 4,5 Jahren um 0,18 € pro m² gesenkt. Das sind 9 € bei 50 m². In zwei Jahren seit 2015 stiegen diese nur um 0,06 €.
Die NRW-Bank hat für Solingen in der Mittleren Angebotsmiete (Wiedervermietung) im Bestand für 2014 6 € pro m² ermittelt und festgestellt, dass die mittlere Angebotsmiete im Zeitraum von 2013 auf 2014 um 2,5 % gestiegen ist. Die Entwicklung des preisgünstigsten Viertels der Angebotsmiete (Wiedervermietung und Erstanmietung) ist nach Angaben der NRW-Bank in Solingen von 2013 bis 2014 um 5 % gestiegen. Auch der Wohnungsmarktbericht 2013 der Stadt Solingen ermittelte 6,89 € pro m² durchschnittlich für einen 50 m²-Einpersonen-Haushalt.
Auch wenn zur Festlegung dieser Obergrenzen der niedrigste Wert in der untersten Wohnlage zu Grunde gelegt werden muss (Bundessozialgericht), kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass hier in den letzten 4,5 Jahren eine Steigerung und keine Senkung der Grundmietenpreise stattgefunden hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es in den letzten Jahren hier keine oder nur geringfügige Steigerungen gab, hat die Stadt Solingen in ihrer Dienstanweisung für die Kosten der Unterkunft (KdU), gültig ab 1.6.2012, für einen Ein-Personenhaushalt (50 m²) 258 € (5,16 €/m²) festgelegt. Hierbei ist allerdings vom niedrigsten Wert der mittleren Wohnlage ausgegangen worden. Auf diesem Hintergrund kommt es seit Januar 2015 zu der paradoxen Situation, dass als angemessen anerkannte Wohnungen nun nicht mehr angemessen sind.
Damit wird die Steigerung der Nebenkosten (NK) in den letzten 4,5 Jahren, im Rahmen der KDU-Richtlinien, von nur 13 € für einen 50 m²-Haushalt angenommen.
Nebenkosten in 2017 nicht berücksichtigt
Allein im Vergleich zum letzten Jahr stiegen die Grundabgaben in 2017 um 38 € für eine Solinger Durchschnittsfamilie (ST 12.11.16). Diese Erhöhungen in 2017 sind aber bei der Neuberechnung nicht berücksichtigt worden. Deshalb werden die neuen Werte der Mietobergrenzen, kaum in Kraft getreten, schon bald keinen Bestand mehr haben, weil sie den realen Verhältnissen für diejenigen, welche eine neue Wohnung anmieten wollen oder müssen, nicht entsprechen. Für die Bestandsmieten mögen sie noch erträglich sein. Wer aber mit den höheren Mieten bei den Neuvermietungen rechnen muss, wird weiter „im Regen stehen gelassen“ und muss aus seinem Regelsatz zur Miete selbst hinzu zahlen. Somit werden wir spätestens in einem halben Jahr ähnliche Verhältnisse wie im Januar 2016 haben, wo mehr als 2500 Hilfeempfänger in dieser Stadt durchschnittlich 71,12 € Miete aus ihrem Regelsatz (409, bzw 368 €) hinzu zahlen müssen und dann weit unter dem Existenzminimum mit etwa 330 Euro im Monat leben (Essen, Kleidung, Strom, Telefon usw.) müssen.
Zwar will die Verwaltung zukünftig Nachbesserungen an den Regelungen für die Unterkunftskosten auch ohne Gutachten (60 000 €), über eine Indexanpassung an Mieten und Nebenkosten vornehmen, aber auf einen Zeitpunkt dafür wollte sie sich bislang nicht festlegen lassen.
Auch die Verwaltung hatte Ende 2016, vor der Haushaltsverabschiedung, noch mit einer größeren Erhöhung gerechnet und deshalb für die Haushaltsberatungen – vor dem neuen Ergebnis des Gutachtens – 0,50 € pro m² zunächst angesetzt. Dies wurde, von der Politik kaum wahrgenommen, wenige Tage vor der Haushaltsverabschiedung mittels einer Veränderungsliste korrigiert, wobei 800 000 € eingespart wurden. Schon im Jahr 2016 wurden durch die gesenkten Werte nach dem Gutachten etwa 1 Millionen € bei den KdU eingespart. In zwei Jahren wurden hier also fast 2 Millionen € weniger ausgegeben, als die Verwaltung zunächst für realistisch hielt.
Die Gutachter-Firma Analyse und Konzepte hat sich mit dem alten und dem neusten, nachgebesserten Gutachten selbst disqualifiziert. Deren Geschäftsmodell besteht offensichtlich darin, dass für finanzschwache Städte geringste KdU-Werte errechnet werden. Die Stadt Solingen wäre gut beraten, für die nächste Begutachtung in einem transparenten Verfahren eine andere Firma auszuwählen.
Was tun bei nicht angemessenen Mieten?
Mit einer Dienstanweisung zur Übergangsregelung für die Anerkennung der angemessenen Kosten der Unterkunft für Leistungsbezieher im Rechtskreis SGB II und SGB XII vom 22.4.2016 hat der Sozialdezernent, Jan Welzel, auf die Probleme der Hilfeempfänger, eine neue, angemessene Wohnung zu finden, reagiert. In einem ersten Gespräch zwischen Politik und Verwaltung im Januar 2017, über die Neuregelung der KdU, wurde geklärt, dass die Dienstanweisung weiter gilt. Entsprechend dieser Anweisung kann, wenn keine angemessene Wohnung gefunden wurde, eine Verlängerung der Frist (6 Monate) zur Mietsenkung eingeräumt werden, wenn der Leistungsempfänger seine bisherigen Bemühungen der Wohnungssuche aussagekräftig glaubhaft macht. Diese Glaubhaftmachung „kann zum Beispiel durch eine Bestätigung einer anderen Stelle (z.B. Genossenschaften) oder durch eine Bestätigung der den Leistungsempfänger bei der Wohnungssuche unterstützenden Sozialen Beratungsstelle erfolgen“.
Das Solinger Arbeitslosenzentrum SALZ rät, unter Berufung auf diese positiv zu bewertende Dienstanweisung:
1. Lassen Sie sich von Wohnungsgesellschaften wie dem Spar- und Bauverein oder
der LEG und generell von Vermietern bestätigen, wenn diese keine angemessene Wohnung für sie haben.
2. Lassen Sie sich von Beratungsstellen, die Ihnen bei der Wohnungssuche behilflich waren, es bescheinigen, wenn trotz intensiver Bemühungen kein angemessener Wohnraum gefunden wurde.
3. Beantragen Sie einen Wohnberechtigungsschein und lassen Sie sich in die Liste
der Wohnungssuchenden beim Wohnungsamt eintragen.
4. Falls Ihnen ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten ist, weil Verwandte in der Umgebung gepflegt werden müssen, die Kinderbetreuung oder der Weg zur Arbeit erheblich erschwert wird, teilen Sie dieses dem Jobcenter oder Sozialamt schriftlich mit.
5. Falls ein Umzug teurerer wird als gewöhnlich (Krankheit, keine Helfer, Demontage und Aufbau einer Einbauküche usw.) teilen Sie es den Behörden mit, damit dies in der Wirtschaftlichkeitsberechnung für einen Umzug berücksichtigt wird.
Frank Knoche
Der Spruch des Monats …
stammt vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Carsten Voigt. In der Sitzung des Sozialausschusses vom 26. Januar warf er den Grünen, welche Kritik an der ihrer Meinung nach unzureichenden Nachbesserung bei den Kosten der Unterkunft für Arbeitslosengeld II- und GrundsicherungsempfängerInnen äußerten, vor, dass diese ein „Rund-um-Wohlfühlpaket“ für die von Mietsenkungen betroffenen Hilfeempfänger schnüren wollten.
Ermessensspielraum nutzen
Ein Kommentar von Frank Knoche
Unsoziale Bundesgesetze und Bundessozialgerichtsentscheidungen binden den Kommunen und Jobcentern vor Ort weitgehend die Hände. Ihr Spielraum für ihre Ermessensentscheidungen ist nicht besonders groß. Aber es gibt diesen Spielraum. Das er im Solinger Jobcenter, wie auch in den meisten anderen Städten, nur unzureichend genutzt wird, hat Ursachen. Es mangelt an ausreichend qualifiziertem Personal für diese schwierige und durch die unsoziale Hartz-Gesetzgebung geprägte Arbeit. Umso größer sollte der Respekt vor Behördenmitarbeiterinnen sein, die kompetent und fair (geblieben) sind. Aber es trauen sich immer noch viel zu wenige Sachbearbeiter, eigene Ermessensentscheidungen zu treffen. All zu oft werden Entscheidungen bürokratisch vom Schreibtisch aus beschieden, ohne die spezifischen Probleme der Betroffenen erfragt zu haben und zu kennen. Dies passiert um so mehr, wenn sich Leistungsabteilungen vor ihren „Kunden“, den Leistungsempfängern abschotten. Dies zu verändern, die Atmosphäre in einer Einrichtung zu verbessern, das ist in aller erster Linie Aufgabe der Verantwortlichen. Dies ist nicht einfach und braucht seine Zeit, aber man muss damit anfangen.