Christopher Street Day in Köln – mit Solinger Beteiligung

Alljährlich wird im Juni/Juli in unzähligen Städten weltweit mit Feiern und Paraden dem Christopher Street Day (CSD) gedacht. Zur Erinnerung: am 28.06.69 begann in der Schwulenbar ”The Stonewall Inn” auf der Christopher Street in New York nach einer Polizeiattacke die erste und größte Auflehnungsaktion von Schwulen und Lesben. Darauf folgte eine Straßenschlacht mit der Polizei und 3-tägige Protestaktionen gegen Diskriminierung. Dieser Aufstand gegen polizeiliche Schikanierung, Gewalt und willkürliche Razzien gegenüber schwulen und lesbischen Gruppen galt als Startschuß der weltweiten Schwulen- und Lesbenbewegung. Heute dient der CSD weltweit dazu, gewaltfrei aber dennoch provokant für eine gesellschaftliche und rechtliche Gleichberechtigung dieser Gruppen zu demonstrieren.

Auch in der BRD finden jedes Jahr in vielen Städten CSD-Paraden und Veranstaltungen statt. Köln gilt dabei als Hochburg mit großer gesellschaftlicher Akzeptanz. Erstmalig übertrug das WDR-Fernsehen dieses Jahr die CSD-Parade aus Köln live. Zwar hat die Parade selbst, die an jedem ersten Juliwochenende stattfindet, irgendwie auch Karnevalscharakter (man hat halt Spaß), aber zusätzlich finden am gesamten Wochenende zahlreiche Veranstaltungen statt, die politisch einen Anspruch auf Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen einfordern.

Die Solinger Schwulengruppe ”Herzenslust”

Wer dieses Jahr die CSD-Parade als eine/r der ca. 650.000 ZuschauerInnen aufmerksam verfolgte, konnte möglicherweise Bekannte aus Solingen auf einem der vielen Wagen erkennen. Seit 4 Jahren nimmt regelmäßig ein Techno-Wagen der Solinger Schwulengruppe ”Herzenslust” teil. Sei es als Pharaonen verkleidet oder blau angemalt in Goldgewändern, wird bei jedem Auftritt stets viel Phantasie gezeigt und großer Aufwand betrieben.

Night & Gay

Die Auftritte beim CSD sind nicht die einzigen Aktivitäten. Vierteljährlich finden in Solingen in der Cobrahalle die Night & Gay-Parties statt. Sie stehen unter stets neuem Motto und die Halle wird von der Gruppe jedes Mal mit viel Liebe zum Detail dekoriert. Der Besucheransturm zu diesen Parties läßt sich sehen, ist die Solinger Gruppe ”Herzenslust” doch Teil eines überregionalen Verbandes und Mitglied im Schwulen Netzwerk NRW e.V., das bspw. auch Kongresse in Zusammenarbeit mit der AIDS-Hilfe NRW organisiert wie etwa 1996 in Bochum. Dieses Jahr z.B. fand in Dortmund die ”Gaycom Erfahrungsmesse” statt, an der zwecks Erfahrungsaustausch 60 Gruppen teilnahmen. Die Solinger Gruppe war auch hier als Organisator tätig. Entsprechend ist der überregionale Bekanntheitsgrad dieser Gruppe und der Publikumszuspruch bei den Parties sehr groß.

Präventionsaktionen

In unregelmäßigen Abständen starten die Solinger ”Herzenslust”-Männer Präventionsaktionen auf einem Parkplatz an der A 46, der als Schwulentreffpunkt bekannt ist. Da es dort schwierig (aber dringend notwendig) ist, Aufklärung über AIDS zu betreiben, wurde bei der letzten Aktion einfach eine Grillparty veranstaltet. Die knapp 10 Solinger Organisatoren waren dabei letztendlich von 50 Männern umringt, denen neben Grillwürstchen Faltblätter, Aufklärungsbroschüren und Gespräche zum Thema AIDS angeboten wurden.

Der Schwulenstammtisch in Junk’s Kantine

Abseits der großen Veranstaltungen trifft Man(n) sich jede Woche zum Stammtisch in der Cobrakneipe. Er existiert seit mehr als 3 Jahren und  besteht aus ca. 20 Männern im Alter von 17 bis 61 Jahren, die sich zum Erfahrungsaustausch oder einfach nur zum Klönen zusammenfinden.

Am Beispiel des Schwulenstammtisches konnte man kürzlich deutlich erkennen, daß Solingen mit der Offenheit Kölns noch lange nicht mithalten kann. Hatte der neue Pächter der Kneipe im soziokulturellen (!) Kommunikationszentrum Cobra, Felix Junk, der Gruppe doch kurz nach der Wiedereröffnung die Werbung für den Stammtisch untersagt und ihr anheim gestellt, sich unters Kneipenpublikum zu mischen wenn Platz sei, oder noch besser: sich eine andere Kneipe zu suchen.

Das ST hüllte sich trotz der Bitte der Gruppe, diese Mißstände zu drucken, in beharrliches Schweigen. Berichte über die Cobra (besonders negative) werden offensichtlich erst einmal vom Vorstand zensiert. Weniger zimperlich war die Morgenpost, die einige beherzte Vorwürfe abdruckte. Aufgrund massiven Drucks fand man kurz darauf doch noch eine Einigung und hier war das ST ganz vorne, als es am 21.4.98 schrieb, daß sich die Schwulengruppe ”ab dem 28.4.98 weiterhin dienstags abends um 20.00 Uhr zum Stammtisch im Cobra-Cafe” treffe. Der Ruf der Cobra war damit ja wiederhergestellt.

Nicht nur bei mir führte diese Presseerklärung jedoch zu gewisser Irritation. Wieso weiterhin dienstags? Der Stammtisch war immer freitags gewesen! Hatte man die Gruppe vorsätzlich auf den Antikneipentag Dienstag gesetzt, damit möglichst wenige ”normale” KneipenbesucherInnen behelligt werden? Nach Rücksprache mit einem Vertreter der Schwulengruppe wurde jetzt deutlich, daß dies auf eigenen Wunsch der Gruppe geschah, da freitags halt noch viele andere Veranstaltungen stattfinden, die neben dem Stammtisch auch gerne besucht werden möchten. Das ist einzusehen.

Wer nun Lust hat, bei den Jungs vorbeizuschauen, kann dies jederzeit zwanglos und unverbindlich tun. Die Gruppe trifft sich jeden Dienstag im Cobra-Cafe ab 20.00 Uhr. Neuinteressenten sind immer willkommen!

Andrea