Diskothek Libelle wurde die Nachtkonzession entzogen

Schlafe mein Kindlein, schlaf fein – in der Schlafstadt Solingen

Einen weiteren Schritt um alle jung Gebliebenen, die auch zu fortgeschrittener Stunde noch das Tanzbein schwingen wollen, aus der Stadt zu vertreiben, unternahm wieder einmal das allseits beliebte Ordnungsamt. Der Libelle wurde im Oktober nach Anwohnerbeschwerden die Nachtkonzession für die Sperrstunde am Wochenende von 1 bis 5 Uhr morgens entzogen. Und das obwohl sich die Gräfrather Szene-Lokalität, die schon seit vielen Jahren zahlreiche BesucherInnen aus Solingen und Umgebung anzieht, eigentlich an einem optimalen Standort mit wenigen direkten AnwohnerInnen befindet.

”Lärm” außerhalb der Diskothek als Anlaß

Dabei hatten die Libelle-Macher alles Menschenmögliche unternommen, um die Situation zu verbessern, nachdem im Januar die ersten Beschwerden über zu laute Musik eintrafen. Es wurde eine zweitürige Lärmschleuse eingebaut, eine kleinere Anlage angeschafft und eine elektronische Begrenzungsanlage integriert, die die Musiklautstärke automatisch heruntersteuert, falls ein DJ doch einmal die Regler zu  weit aufdreht. Messungen  ergaben  nun  einen Lautstärkepegel  von  49 db, ein Wert der im gesetzlich vorgeschriebenen Toleranzbereich liegt. Doch wer nun glaubte, daß alle Beteiligten zufrieden gestellt wären, hatte nicht mit der Pfiffigkeit einiger Solinger Bürger gerechnet. Denn anstatt die Beschwerden einzustellen, wurden kurzerhand andere ”Lärm”-macher gefunden. So hatten die Besucher der Libelle doch glattweg die Frechheit besessen, die Diskothek mit dem Auto aufzusuchen und nicht nur bei der An- und Abfahrt Lärm zu verursachen, sondern auch noch auf der Straße Gespräche zu führen. Bei letzterem wurden bei einer Messung sage und schreibe 70 db festgestellt, folglich blieb für das Ordnungsamt nur eine Konsequenz übrig: Die Libelle muß weg!

Bestechende Logik des Ordnungsamtes

Da hilft auch die Tatsache wenig, daß die Discothekenbetreiber ihren BesucherInnen schlecht vorschreiben können, was diese außerhalb der Lokalität treiben. Weitere Angebote von Geschäftsführer Guillermo Ribes-Vicente, den Eingangsbereich zu überdachen, um so den ”Lärm”pegel der auf Einlaß wartenden Gäste zu reduzieren, scheiterten zudem am Einspruch des Besitzers des Nachbargrundstückes – zufälligerweise auch der Hauptbeschwerdeführer der AnwohnerInnen. Doch das Ordnungsamt ließ sich nicht beeindrucken, die Libelle mußte die Konzession ”freiwillig” zurückgeben, um einem Rechtsstreit vorzubeugen.

Die Beschränkung der Öffnungszeiten bedeutet für das Nachtlokal wohl den Todesstoß, da sich die Jugendlichen am Wochenende nicht mit einer Abendgestaltung bis 1Uhr zufriedengeben und deshalb direkt das ohnehin viel interessantere Angebot in Düsseldorf oder Köln nutzen. Doch dies scheint für unsere ”bürgernahen” Politiker und Stadtbedienstete nur schwer nachvollziehbar zu sein. Die Besucherzahlen gingen seit der Kürzung der Öffnungszeiten von je ca. 400 freitags und samstags auf praktisch null zurück. Der überregional besuchte, samstägliche kroatische Abend ist mittlerweile ganz eingeschlafen – wieder einmal ein Zeichen der so offenherzigen Solinger Gastfreundschaft gegenüber unseren ausländischen MitbürgerInnen. Der Freitag wird vom Geschäftsführer im Alleingang aufrechterhalten, um den Kontakt zu den verbliebenen Stammgästen zu halten. Auch möchte er ein positives Signal setzen, da er noch nicht bereit ist aufzugeben und auch weiterhin Gesprächsbereitschaft signalisiert.

OB Uibel verweigert Entgegennahme gesammelter Unterschriften

Noch steht die Libelle allerdings nicht alleine da. Eine Demo in Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen wurde abgehalten, und 4000 Unterschriften für den Erhalt der Libelle gesammelt. Allerdings war es Oberbürgermeister Uibel bis jetzt nicht wichtig genug, diese entgegenzunehmen – die potentiellen Wählerfangaussichten erscheinen ihm in diesem Fall wohl  nicht  groß  genug.  Dabei  müßte  doch allein schon der Arbeitsplatzgedanke ein gewisses Interesse wecken, sitzen die immerhin 12 Angestellten der Libelle mittlerweile auf der Straße, und auch das von der Libelle finanziell unterstützte Theaterprojekt Theatron & Art steht vor einer ungewissen Zukunft. Das letzte Stück ”Criminal Hearts” erfuhr zwar einen regen Zuspruch mit 2 – 3 Vorstellungen pro Woche von Dezember bis April, doch reicht dies nicht, um eine eigene Finanzierung sicherzustellen. Für das im Dezember startende neue Stück ”Alpenblühen” sind bereits Verträge abgeschlossen,  so  daß  dieses  Projekt  trotz des vorhersehbaren finanziellen Verlustes  durchgezogen werden soll.

Die Perspektive in Solingen ist für Guillermo allerdings klar: entweder die Libelle in Gräfrath weiterbetreiben oder die Stadt verlassen. Denn ein angedachter Umzug wurde vom Ordnungsamt von vorneherein abgelehnt: Eine neue Konzession an einem anderen Ort wird nicht erteilt, so die lapidare Auskunft. So wird die Landflucht der Jugend aus Solingen systematisch weiter gefördert – mit all ihren bitteren Nebenwirkungen wie den immer wieder auftretenden alkoholbedingten Verkehrsopfern. Während an anderer Stelle ein Konsumtempel geschaffen wird, um angeblich die Kaufkraft nach Solingen zurückzuholen, wird sie hier systematisch und bewußt vertrieben.

Vielleicht wird demnächst auch noch den AnwohnerInnenbeschwerden gegen das Ohligser Getaway nachgegeben, und die Mitarbeiter des Ordnungsamtes können endlich ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen – schlafen, schlafen, schlafen (und das nicht nur im Dienst).

Ernie

Letzte Meldung: Libelle ist verkauft!

Soeben erreichte uns die Nachricht, daß die Libelle den Besitzer gewechselt hat. Da die bisherigen Libellenbetreiber nicht bereit waren ihren 10jährigen Mietvertrag vorzeitig zu beenden kaufte der Schneidwarenhersteller und Schnäppchenjäger Siegfried Lapawa, der sich stetig bemüht, der König von Gräfrath zu werden, kurzerhand das gesamte Anwesen vom Beckmann-Clan. In der Libelle soll vorerst ein Cafe eingerichtet werden, ob der Standort für ein Nachtlokal beibehalten wird, hängt nun vom weiteren Verhalten des Ordnungsamtes ab.

Der  bisherige Geschäftsführer Guillermo Ribes-Vicente wird nun seine Ankündigung wahrmachen und Solingen verlassen um außerhalb eine neue Lokaliät zu suchen.