Gedenkstein: Eine Stadt sitzt ihre Erinnerung aus

Politik ist bekanntlich das Bohren dicker Bretter. Manchmal bleibt der Bohrer im Hartholz hängen. Viele hoffen dann, daß er einfach abbricht und vergessen wird. So geht es auch mit dem Ratsbeschluß vom 3. März 1994 (!), „zum Gedenken an den Brandanschlag zu Pfingsten 1993 ein Mahnmal zu errichten”.

Dieses Mahnmal, so war beschlossen und der Familie Genc versprochen worden, sollte in der Solinger Innenstadt errichtet werden. Das dem vorausgehende und nachfolgende Schauspiel offenbarte die provinzielle Dumpfheit der CDU und die Angst der SPD vor den ehrbaren BürgerInnen. Denn diese könnten ja sagen, mit dem völlig privat finanzierten und erstellten Mahnmal an der Mildred-Scheel-Schule – 2,4 km vom Stadtzentrum entfernt – sei nun wirklich das Ende der Fahnenstange erreicht. Und alle, die in der Innenstadt ein Gedenken sichtbar machen wollen an die fünf beim bundesweit brutalsten rassistischen Anschlag der Nachkriegszeit Ermordeten, gefährdeten den sozialen Frieden dieser Stadt. Die sieben „Kriegerehrenmale in Solingen, die in martialischem Gepräge das Opfer für Volk und Vaterland lobpreisen, gefährden diesen Frieden dagegen natürlich nicht und werden von der Stadt gepflegt und gehegt.
Doch das Verdrängen will nicht klappen. Mevlüde Genc sagte „sie erkenne auch das Mahnmal an der Mildred-Scheel-Schule an, wisse das internationale Aufsehen, das dieses erlangt habe, zu schätzen, aber das sei nicht ihr Denkmal. Zum Gedenken an den Brandanschlag auf ihre Familie wünsche sie sich ein Denkmal in der Innenstadt. Sie habe ihre Kinder und Enkelkinder, ihre Nichte verloren und sie könne ihre Augen nicht schließen, wenn es diese Erinnerung nicht geben würde (zitiert nach ST 29.4.95). Am 24. Mai 95 fand eine Veranstaltung der Grünen statt, auf der zusammen mit antirassistischen Initiativen über den städtischen Beitrag zur Aufarbeitung des Brandanschlages diskutiert wurde. Ein wesentliches Ergebnis dieser Veranstaltung war die Forderung an die Stadt, dem Wunsch nach einem Gedenkstein in der Innenstadt zu folgen. Fast ein weiteres halbes Jahr später hat sich immer noch nichts getan. Die Poltikerlnnen in dieser Stadt müssen sich fragen lassen, wie lange dieses unwürdige Gezerre noch anhalten soll und ob das Wort von der „Aufarbeitung des Brandanschlages mehr als nur Gerede vor einer jeweils zu Jahrestagen interessierten Medienöffentlichkeit ist.

Krabat