In Solingen leben über 1.000 Mitbürger-innen und Mitbürger, die selbst oder deren Eltern aus der osttürkischen Stadt Ovacik bzw. anderen Orten der Region Tunceli stammen. Der Förderverein Städtefreundschaft Ovacik/Tunceli-Solingen e.V. wurde 2005 gegründet.
Hauptziel des Fördervereins ist es, die Städtefreundschaft zwischen Solingen und Ova-cik/Tunceli zu fördern. Dazu werden Projekte und Veranstaltungen durchgeführt und gefördert, die eine gegenseitige menschliche und kulturelle Verbundenheit bewirken.
Gerade deshalb war der Besuch von Fatih Mehmet Macoglu, Bürgermeister der Stadt Ovacik, am 2.12.2017 in Solingen ein Zeichen der Hoffnung und ein Zeichen dafür, dass die Verbundenheit zwischen Solingen und Ovacik/Tunceli wächst.
Leider wurden kürzlich mehrere Mitarbeiter des Bürgermeisters verhaftet. Wir, eine Gruppe von SolingerInnen mit deutschem Pass, die die Mitarbeiter Hayati Güngören und Orhan Perktas bei einer Studienreise in Ovacik kennenlernten, entschlossen uns daraufhin, ein Solidaritätsschreiben zu verfassen:
Sehr geehrte Herren,
wir haben erfahren, dass die oben genannten am 22. August 2017 in Ovacik/Tunceli durch die Polizei der Anti-Terrorwache in Tunceli verhaftet wurden und seitdem inhaftiert sind. Derzeit sind sie untergebracht im Gefängnis in Elazig 1 Nolu Yüksek Güvenlikli Ceza Infaz Kurumu C 60 Kogusu, Elazig/Türkiye. Das hat uns sehr besorgt gemacht. Als Festnahme- und Inhaftierungsgründe sind genannt worden, sie seien Mitglieder einer illegalen Terrororganisation, hätten diese unterstützt und Beihilfe geleistet. Als angeblicher Beweis dafür wird die Teilnahme an in der Türkei legalen Aktivitäten eingesetzt (Podiumsdiskussion, Demo, Moderation).
Wir haben während einer Studienreise Ovacik /Türkei zur Förderung der Städtefreundschaft zwischen der deutschen Stadt Solingen und der türkischen Region Tunceli die beiden Herren als Begleiter und Führer kennen und schätzen gelernt. Sie haben als Angestellte der Gemeinde Ovacik über ihre Arbeit für die örtliche Bevölkerung gesprochen und über die große Hoffnung für eine bessere ökonomische und soziale Entwicklung für diese Menschen durch einen Aufschwung im Bereich des Natur-Touri-smus und haben uns beeindruckt durch ihr großes Engagement. Darum auch setzen wir uns gerne für die beiden Männer ein.
Bitte lassen Sie Hayati Güngören und Orhan Perktas umgehend und bedingungslos frei und respektieren Sie ihrRecht auf gewaltlose freie Meinungsäußerung. Jeder muss ohne Furcht vor Verfolgung an legalen Veranstaltungen teilnehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Schreiben gingen an die türkische Justiz und in Kopie an die deutsche Botschaft in Ankara, die türkische Botschaft in Berlin, Amnesty International, die Vereinigung für Menschenrechte in der Türkei und den Bürgermeister von Ovacik. Von den türkischen Adressaten kam bisher leider keine Reaktion. Wohl aber vom deutschen Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, aus Ankara. Das hat uns sehr gefreut. Dieses Schreiben macht deutlich, dass seitens der Diplomatie unser bürgerschaftliches Engagement Wertschätzung erfährt und wir hoffen, dass es auch den Inhaftierten einen Vorteil bringt. In dem vom Botschafter selbst unterzeichneten Schreiben heißt es:
Sehr geehrte Frau Arians,
vielen Dank für lhre Schreiben vom 22. und 30. Dezember 2017 , mit denen Sie mir das Solidaritätsschreiben für Hayati Güngören und Orhan Perktas an die Justizbehörden in Tunceli zur Kenntnis übersandt haben, das von lhnen und von Christina Koss, Horst Koss, Mina Cetin, Frank Knoche, Susanne Koch und Dietmar Gaida unterzeichnet ist. lch möchte lhnen für lhren Einsatz und den Einsatz der Mitunterzeichner für die beiden lnhaftierten danken. Der von lhnen beschriebene Fall ist nicht der einzige derartige Fall. Eine Vielzahl von Personen sieht sich derzeit vergleichbaren Vorwürfen ausgesetzt. Umso wichtiger sind Akte der Solidarität für Mitglieder der türkischen Zivilgesellschaft. Ihr Engagement für die Städtefreundschaft zwischen der Stadt Solingen und der Stadt Ovacik in der Provinz Tunceli ist gerade in diesen Zeiten bedeutsam.
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Erdmann
Im März sollte nun endlich die Verhandlung sein. Wir hoffen auf einen fairen Ausgang des Verfahrens, und das kann nur Freispruch und Entschädigung für die ungerechtfertigte Haft bedeuten. Wir werden weiter berichten.
Sibylle Arians