Anti-Antirassismus in Bremen

Durchsuchung von Büros wegen Demo-Aufruf

Im Januar wurden in Bremen sowohl die Räume des Antirassismus-Büros (ARAB) im Jugendzentrum Sielwallhaus als auch die Privatwohnungen zweier Mitarbeiter des ARAB durchsucht. Anlaß war das Flugblatt zu einem Demo-Aufruf aufgrund eines Besuches von Innenminister Kanther in Bremen, in dem im Zusammenhang mit der Rückführung von bosnischen Bürgerkriegsflüchtlingen von „Massendeportationen“ die Rede ist und in dem u.a. nachzulesen ist: „Während im Zuge der größten Abschiebewelle in der Geschichte der BRD diese Menschen (es geht um die bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge) in Ruinenlandschaften, verwüstete Dörfer und zerstörte Städte gezwungen werden sollen, werden sich die Schreibtischtäter Kanther und Bortt-scheller freudig zuprosten.“

Der Bremer Innensenator Borttscheller(CDU) stellte daraufhin Strafantrag wegen „Verunglimpfung von Personen des politischen Lebens“, woraufhin die Durchsuchungen veranstaltet wurden. „Sichergestellt“ wurden dabei ein Computer, Akten und 500 Broschüren, alles Dinge die für dieses Verfahren gegenstandslos waren.

Eine interressante Anklagebegründung lieferte dann der zuständige Staatsanwalt, der durch den Wortlaut des Flugblattes die Gefahr gegeben sah, daß bei den Leserinnen Assoziationen dahingehend gefördert würden, das politische Wirken der beiden hohen Herren sei mit den Taten der Nazizeit zu vergleichen.

Schon die bloße Assoziation mit nationalsozialistischen Untaten, die gar nicht von den Flugblattschreibern selber, sondern nur von dem ermittelnden Staatsanwalt gezogen wird, liefert hier die Begründung für eine Kriminalisierung. Den Flugblattextern ging es dagegen vielmehr darum, auf die Abschiebepraktiken in Deutschland hinzuweisen, bei denen beispielsweise auf dem Flughafen Frankfurt abzuschiebende Asylsuchende mit Klebeband zu Mumien verpackt werden, um einen „reibungslosen“ Ablauf zu gewährleisten. Wenn dann jemand dabei Schaden erleidet, wird dies halt als tragisches Versehen dargestellt, wie im August’94 geschehen als ein Nigerianer durch diese Rückführungspraktik ums Leben kam.

Anklagen wegen Volksverhetzung

Die Hausdurchsuchungen waren bislang der Höhepunkt staatlicher Aktionen gegen das ARAB in Bremen. Zur Zeit laufen noch zwei weitere Ermittlungsverfahren wegen „Volksverhetzung“ gegen Mitarbeiter des Büros. Hierbei geht es um die Broschüre „Polizisten, die zum Brechen reizen“, in der das ARAB seine Recherchen zur Brechmittelvergabe an afrikanische Asylsuchende darstellte. Diese Praktik die Beweismittel, sprich verschluckte Kapseln mit Rauschgift, zum Vorschein bringen soll, wurde in den vergangenen 2 Jahren 400 Mal angewandt und ist medizinisch höchst umstritten. Die Bremer Ärztinnenkammer wurde aufgrund dieser Ergebnisse tätig und erklärte die Brechmittelvergabe als
unvereinbar mit dem ärztlichen Berufsethos. Außerdem wurden die Vorwürfe in den aktuellen Bericht über deutschen Polizeirassismus von Amnesty international aufgenommen.

Doch all diesen Protesten zum Trotz ignorierte die Bremer Justizbehörde alle Bedenken, erklärte die Brechmittelvergabe entgegen dem Fachurteil von Ärztinnen als medizinisch unbedenklich und stellte die Ermittlungsverfahren gegen angezeigte Polizeiärzte und -beamte ein, ohne auch nur einen einzigen der Anzeigenstellenden vernommen zu haben. Stattdessen wurde Anklage gegen zwei Mitarbeiter des ARAB wegen Verteilung der Broschüre auf einer Podiumsdiskussion erlassen, da hierdurch die Menschenwürde der Bremer Polizei verletzt worden sei.

Keine Entscheidung über politische Inhalte

Der erste Prozeß wurde mittlerweile mangels Beweislast gegen eine Zahlung von 700,- DM eingestellt. Auffallend auch hier, daß die Strafe nicht wegen den Inhalten der Broschüre, sondern wegen der Benutzung der Formulierung „rassistische Sonderbehandlung“, die eine gewollte Anspielung der Autorinnen auf das
„3.Reich” und somit nicht mehr im vertretbaren Rahmen sei, verhängt wurde. Über die Inhalte der Broschüre und über die Tatsache, ob diese der Wahrheit entsprechen, wird damit erst im zweiten noch laufenden Verfahren entschieden. Insgesamt wird bei diesen gesamten Verfahren die Strategie der Staatsmacht deutlich. Antirassi-stlnnen sollen diskreditiert und unglaubwürdig gemacht, Kritik und mißliebige Störungen ausgeschaltet werden. Hierzu paßt auch eine Presseerklärung des Bremer Innensenators Borttschel-ler zu den bereits erwähnten Anschuldigungen von Amnesty international im Zusammenhang mit der Brechmittelaffäre. In dieser wirft er am-nesty vor, die Fakten allein vom ARAB bezogen zu haben und sich von diesem instrumentalisieren zu lassen. Doch dies ist mal wieder nur die halbe Wahrheit. Amnesty hat die vom ARAB erhobenen Vorwürfe durch eigene Nachforschungen untermauert und versuchte durch einen Brief an Senatspräsident Scherf (SPD) im August’95, eine offizielle Stellungnahme zu erhalten. Daß dieser es allerdings bis heute nicht für nötig hält, eine Antwort zu geben, kann man freilich schlecht amnesty zum Vorwurf machen.

ernie