Flüchtlingshilfe Solingen e. V. wünscht sich eine „Flucht nach vorne“ – … wie schaffen wir Arbeitsplätze?

Seit jetzt fast 2 Jahren begleiten viele freiwillige Helfer unseres Vereins „Flücht­lings­hilfe Solingen e.V“. , die in unser Land „eingereisten Menschen“, in ein für sie völlig neues Leben. Wiederholt stellen wir uns die Frage, ob unsere Fantasie auch nur annähernd ausreichen kann, eine Vorstellung von dem zu erlangen, was diese Menschen auf ihren unterschiedlichsten Flucht Szenarien erlebt haben mögen. Leben in Deutschland, mit einer gesetzlichen Kran­ken­versicherung, einem Rechtsstaat, der den Menschen Bildung zugänglich macht, soziale Einrichtungen und Vereine fördert, läßt dies wohl nur schwerlich zu. Zu­mindest, solange wir uns als ein vollwertiges Glied dieser Gesellschaft bzw. Ge­meinschaft spüren und fühlen.

Wie geht es nach dem „Ankommen“ jetzt weiter?

Nach allen einigermaßen überstandenen Strapazen und Schwierigkeiten möchten diese Menschen nun Ruhe finden, ankommen und sich eine neue Perspektive bzw. Existenz aufbauen. Nun dürfen wir uns fragen, wie würden wir uns fühlen, wenn wir ca. 1 ½ Jahre nach Ankunft in einer deutschen Stadt, nach derlei Erlebtem keine sichtbare Pers­pektive haben finden können. Viele dieser „Neuen Solinger“ halten sich häufig in unseren Vereinsräumlichkeiten am Ufergarten 25, in 42651 Solingen-Mitte auf. Nicht wenige von Ihnen sind aufgrund dieser ungeklärten Zukunft sehr verzweifelt, wenn nicht sogar depressiv. Menschen benötigen eine Sinn­gebung in ihrem Leben. Sie benötigen eine Struktur in ihrem Tagesablauf und das Gefühl, ein vollwertiger Teil der Gesellschaft zu sein.

Seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten

Dies ist eine Frage der Humanität. Die Antwort hierauf lautet „Respekt und Wertschätzung“. Sie möchten nicht nur empfangen, sie möchten auch geben. Dies vermittelt das lebensnotwendige Gefühl von Selbst­wirksamkeit, Selbstbewusstsein und Selbst­wertgefühl. Fehlt einem Menschen dieses gänzlich, droht früher oder später die Gefahr einer Erkrankung. Doch wir haben nicht „NICHTS“ erreicht.
Viele unserer Geflüchteten haben inzwischen eine Wohnung gefunden und in Deutsch­kursen lernen sie unsere Sprache. Bei uns finden die Schüler die notwendige kostenfreie Unterstützung beim Erlernen der Sprache, da sie dem Inhalt der Kurse nicht immer problemlos folgen können. Gemeinsam unterrichtete unterschiedliche Kulturen erschweren das Lernen. Ein abschließender Test und die Übergabe eines Zertifikates bestätigt, dass der Deutschkurs erfolgreich (oft auch nur die Teilnahme) besucht wurde. Der Test kann nach Nichtbestehen noch einmal wiederholt werden. Danach bleibt es dem Betreffenden offen einen Job zu suchen, oder den Lehrgang zu wiederholen und die Kosten dafür selbst zu tragen.

Ein „neues Leben” – wie geht das?

Der Wunsch nach Arbeit und einer leistungsgerechten Bezahlung ist auch hier bei uns deutlich zu spüren. Tagtäglich unterstützen wir viele geflüchtete Menschen, aber auch unzählige Deutsche, die unsere Einrichtung regelmäßig aufsuchen dabei eine Arbeit zu finden. Sie suchen mit uns auf den Webseiten der Arbeitsagentur oder auch in der Zeitung nach offenen Stellen. Wir rufen an oder sie versuchen es selbständig, Aber nicht nur die Flüchtlinge suchen nach einer Tätigkeit. Auch sehr viele Hartz4 –Empfänger finden bei uns Gehör und berichten, dass sie keine Arbeit finden, von der sie menschenwürdig ihren Lebensunterhalt ohne Aufstockung bestreiten können.

Trotz Ausbildung, Weiterbildung und weiterer Maßnahmen über das Arbeitsamt blei­ben sie in In Ihren Situationen „gefangen“

Sind Maßnahmen zielführend??? Nicht wenige Menschen, die wir kennenlernen durften, haben hierdurch ihre Würde verloren. Sie haben bereits verschiedene Maßnahmen absolviert, empfinden diese inzwischen als Be­schäftigungstherapie, weil die ersehnte Unab­hängigkeit mittels einer leistungsgerechten Vergütung damit weiterhin nicht greifbar wurde.Frau B. eine über 50-jährige Wiederein­steigerin wünschte sich einen Vollzeitjob und hat auf Anraten des Jobcenters eine einjährige Qualifizierungs­maßnahme zur Betreuungs­päda­gogin mit dem Notendurchschnitt von 1,1 absolviert. Hierüber kann sie sich bis heute nicht wirklich freuen, da sie bisher keine Anstellung finden konnte, die ihr ein Einkommen zum notwendigen Lebensunterhalt (ca. 1300,- bis 1400,- netto) ermöglicht. Wie kann es sein, dass so viele Menschen nicht mehr klarkommen und selbst unter größtem Aufwand keine richtige Arbeit mehr finden können? Es zeigt sich ganz deutlich, dass hier etwas nicht stimmt und wir möchten hierzu eine These aufstellen:
Obgleich wir selbst zurzeit viele Ehrenamts­stunden leisten, sehen wir eigentlich hierbei ein großes Problem.

Das Ehrenamt verhindert feste Arbeitsplätze

Als Ehrenamtler bezeichnet man z. B. alle Flüchtlingshelfer, Hausaufgabenbetreuer, Fussballtrainer, Menschen eben, die ohne Entgelt bei den Kirchen, kirchlichen Orga­nisationen, anderen Organisationen, Insti­tutionen und Vereinen helfen oder auch Helfer der freiwilligen Feuerwehren sind etc. etc. etc. Das ist grundsätzlich eine unglaublich wunderbare Leistung, die gerade wir zu schätzen wissen. Da wir nur an Lösungen interessiert sind, die die Gemeinschaft stützen, ist uns jedoch aufgefallen, dass „WIR“ alle gemeinsam dem Staat als solchen durch diese eigentlich heldenhafte Unterstützung viele Auf­gaben abnehmen, die normalerweise vom Staat getragen werden müssten. Laut dem DPWV (Deutscher Paritätischer Wohl­fahrtsverband) leisten jährlich ca. 23.000.000 Menschen in Deutschland Ehrenamt-Dienste. (Diese Zahl soll nur eine erste Kalku­lationsgröße darstellen und muss sicherlich noch genauer bestimmt werden!) Kalkuliert man jeden Ehrenamtler mit 2 Stunden Ehrenamt in der Woche = 8 Stunden im Monat und einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 €/Stunde kommt man auf einen Betrag von 1.564.000.000 €. Teilt man diesen durch ein durchschnittliches Gehalt für eine Vollzeitstelle in Höhe von 1400 € monatlich könnten immerhin nachhaltig 1.117.142 neue Vollzeitstellen in Deutschland geschaffen werden. Auf diese Weise würde es wieder eine grosse Anzahl an neuen Stellen geben. Arbeitslose, die bereits ehrenamtlich im sozialen Bereich wie z. B. Hausaufgaben­betreuer, Fußballtrainer oder Sozialhelfer sind, könnten daraus folgend eine Fest­anstellung erhalten und so auch wieder am wirtschaftlichen Leben teilnehmen. Demge­genüber leistet der Staat zurzeit sehr hohe Geldleistungen durch das bestehende Sozialsystem unter Hartz 4, bei dem der Mensch zwar Kunde, aber trotz allem Bittsteller ist, der früher oder später seine Würde verliert. Die so häufig benannten „Faulenzer, die eh fürs Nichtstun Geld abzocken wollen”, hätten bei dieser Vorgeh­ensweise ein grosses Problem. Auch sie müssten sich in einem von Ihnen gewünschten Bereich eine Arbeit suchen. Warum ist es nicht möglich, Menschen, die unter Hartz 4 leben und gleichzeitig schon ein Ehrenamt absolvieren in bezahlte Vollzeit­stellen im 2-Stufen-Plan umzuwandeln?  Warum können nicht Fördergelder ohne Maßnahmen-Charakter sofort in richtige, nachhaltige Arbeitsplätze investiert werden.  Warum kann es nicht ermöglicht werden, Ehrenamtler zu unterstützen, die z. B. Geflüchtete oder Menschen, die unter Hartz 4 leben müssen in eine Selbständigkeit behutsam und nachhaltig zu begleiten? Voraussetzung dieses Lösungsansatzes ist natürlich die Anerken­nung der Leistungen aller Ehrenamtler Deutschlands durch den Staat. Wir haben nachfolgend eine Tabelle erstellt, die unseren Lösungsansatz auf einfache Weise darzustellen versucht.
Dies soll ausschließlich eine Arbeits­grundlage darstellen, die sicherlich noch genauer zu überdenken ist.
Wir suchen Lösungen!

Saskia Frings