Wenn Rassisten nicht mehr Rassisten genannt werden dürfen

„Rassist“ sei für Parteigänger und Aktivisten der  AfD eine Beleidigung. So urteilte der Richter am Amtsgericht Leverkusen, Dietmar Adam, und verhängt eine Geldstrafe gegen den Antifaschisten Günter Bischoff in Höhe von 375 Euro. Damit übertraf er noch die geforderte Strafe der Staatsanwältin.

Am 16. April 2016 protestierten Antifa­schisten, unter anderem auch aus Solingen, gegen eine Werbeveranstaltung der rassistischen AfD in der Innenstadt von Leichlingen. Unter den Gegendemonstranten war auch Günter Bischoff, Vorstandsmitglied der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten  (VVN/BdA) in  Solingen. Ein AfD-Aktivist fühlte sich dabei als Rassist und Nazi bezeichnet, persönlich beleidigt und erstattete Anzeige gegen Günter Bischoff.
Obwohl die Zeugenaussagen der drei AfD Mitglieder und Sympathisanten, darüber, ob die Worte „Nazi“ und „Rassist“, persönlich adressiert, tatsächlich von Günter Bischoff fielen, sehr widersprüchlich waren, hielt Richter Adam diese für glaubhafter als die Aussagen der antifaschistischen Zeugen. Daran änderte auch nichts, dass AfD- Mitglied Bastian Schmitz als Zeuge  gefragt, ob er die Bezeichnung „Nazi“ gehört habe, dies verneinte, aber feststellte, dass Nazi und Rassist für ihn das Gleiche wäre.
Interessant bei diesem Prozess war auch, dass die Polizisten, welche die Anzeige und Personalien aufgenommen hatten, diese aber offenbar nicht zur Anzeige brachten – was dann die Staatsanwaltschaft Köln aus eigenem Antrieb tat – gar nicht als Zeugen geladen waren. Was die Rolle dieser Staatsan­waltschaft betrifft, äußerte sich der Ver­teidiger von Günther Bischoff,  dass er „von dieser Abteilung der Staatsanwaltschaft nichts anderes erwartet“ habe. Schließlich hatte die gleiche Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen Volksverhetzung gegen den bei der gleichen AfD-Aktion ebenfalls anwesenden CDU-Ratsherren („die Syrer zünden ihre Heime doch selber an“) nicht weiter verfolgt. Dass der Vater dieses CDU-Politikers selbst Richter und Kollege an diesem Amtsgericht war, sorgte in den Zuschauerreihen für Spekulationen.
Für Richter Adam kam es vor allem darauf an herauszufinden, ob der Rassismus- und Nazi-Vorwurf persönlich auf einen der anwesenden AfD-Propagandisten gemünzt war. Eine Bewertung der AfD und dessen Programm als rassistisch oder faschistisch sah er offenbar im Rahmen der Meinungsfreiheit als nicht strafbar an. So dürfte zwar das Programm der AfD als rassistisch gekennzeichnet werden, AfD-Aktivisten dürfen sich aber mit einer solchen Zuschreibung beleidigt fühlen. Damit hätten die AfD-Anhänger die Inter­pretationshoheit und könnten jegliche Kritik an ihrer Politik und Programmatik mit erfolgversprechenden Strafanzeigen verhindern. Wer also für ein Partei wirbt, die ein rassistisches Programm hat und dabei rassistische und faschistische Äußerungen von führenden Mitgliedern dieser Partei verteidigt, der soll kein Rassist sein?
Bischoff machte in dem Verfahren deutlich, dass seine Bemerkungen über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und geistige Brand­stiftung in der besagten Auseinandersetzung immer mit konkreten Belegen auf das AfD-Programm bezogen waren.
Die VVN-BdA Solingen erklärte: „Sollen, wie im Falle von Günter Bischoff, Gegner der AfD auf diese Weise mundtot gemacht und Demokraten eingeschüchtert werden?“
Günter Bischoff: „Es ist ein Skandal, dass Gegner dieser Rechtspopulisten jetzt durch Gerichte eingeschüchtert werden sollen, während die AfD weiterhin gegen Flüchtlinge und Asylsuchende hetzen darf. Ich habe niemanden persönlich beleidigt, sondern die Politik der AfD als in weiten Teilen rassistisch und völkisch national dargestellt. Mit ihrer Hetze ist diese Partei Stichwortgeber für die Nazis und Brandstifter in Deutschland. Das habe ich während des Infostandes der AfD deutlich gemacht und dabei bleibe ich. Ich lasse mich nicht mundtot machen“.

Frank Knoche