Ein Märchen, dessen Ende noch offen ist…

Es war einmal eine Menge Männlein und Weiblein, die ganz verschiedener Herkunft waren, verschiedene Farben hatten und unterschiedliche Meinungen und Ideen vertraten. Nur zwei Dinge waren ihnen gemeinsam:

Sie standen dem Gemeinwesen in dem sie lebten kritisch gegenüber und fanden, daß es da noch vieles gab, das verbessert werden müßte, damit das Leben wirklich für alle schön und lebenswert würde. Außerdem war ihnen allen gemeinsam, daß sie etwas gegen die braunen Gespenster und ihre Helfer hatten und dafür sorgen wollten, daß diese nie mehr andere peinigen und quälen könnten.

Diese viele bunten Männlein und Weiblein suchten eine Bleibe – gemeinsam, denn keiner von ihnen war reich und konnte sie allein bezahlen. Schließlich fanden sie eine, mieteten sie und trafen sich nun dort – zum Verabreden von Aktionen gegen die braunen Gespenster, zum Feiern mit Freunden und um ihre verschiedenen Ideen zur Verbesserung des Gemeinwesens sowie ihrer eigenen Lebenssituation zu besprechen.

Nachdem das einige Zeit so gegangen war, mußten sie sich andere Räume suchen, weil die alten zu klein wurden und auch für andere Zwecke gebraucht wurden. Sie fanden neue schöne Räume, die auch groß genug waren und zogen alle um – dahin, wo der große Wolf heult.

Im Laufe der Zeit verändert sich vieles. Auch bei den bunten Männlein und Weiblein gab es Veränderungen. Manche zogen fort, dafür kamen neue hinzu – aber immer waren es die beiden großen Interessen, die sie zusammenhielten.

Schließlich beschlossen die grünen Männlein und Weiblein zu versuchen, ihre Ideen innerhalb der Regierung des Gemeinwesens zu verwirklichen. Es gelang ihnen, eine Partei zu gründen, gewählt zu werden und schließlich sogar einen kleinen Teil des großen Gemeinwesens mitzuregieren und zu verändern. Das brachte mehr Arbeit mit sich, für die mehr Platz gebraucht wurde, aber dafür stand ihnen nun auch mehr Geld zur Verfügung.

So wurde vereinbart, daß die grünen Männlein und Weiblein einen Teil der gemeinsamen Räume ganz für sich allein haben konnten und dafür den größten Teil der gemeinsamen Kosten übernahmen.

Im Laufe der Zeit kam es öfter zu Störungen zwischen den Gruppen. Man verabredete Regeln, damit es weniger zu Frust und Meinungsverschiedenheiten kam.

Manche Gruppen hatten mehr Probleme als andere diese Regeln zu beachten – teils weil sie ihnen wohl weniger wichtig erschienen – teils auch, weil sie oft starke Unterdrückung durch strenge Regeln erfahren mußten und deshalb jeglicher Reglementierung ziemlich ablehnend gegenüber standen. Mehr und mehr kam es dadurch zu Konflikten zwischen verschiedenen der bunten Grüppchen und der Gruppe der grünen Männlein und Weiblein. Durch die Mitarbeit in der Regierung des Gemeinwesens hatten offenbar einige von diesen, zu viele der Regeln der Regierenden verinnerlicht und vergessen, daß sie selbst einmal viele dieser Regeln in Frage gestellt hatten.

So verlor die Zusammenarbeit mit den vielen bunten Männlein und Weiblein zur Verwirklichung der beiden großen gemeinsamen Ziele in ihren Augen immer mehr an Wichtigkeit gegenüber dem Bedürfnis, sich in ihrer wichtigen politischen Arbeit nicht durch Regelverletzungen der Anderen, wie z.B. überfüllte Aschenbecher, verstopfte Toiletten und Kippen im Waschbecken beeinträchtigen zu lassen. Sie sahen für sich ja auch jetzt andere Möglichkeiten ihre Ziele zu verwirklichen.

Das führte schließlich sogar dazu, daß einige der grünen Männlein und Weiblein den Entschluß faßten, die anderen bunten Männlein und Weiblein aus den gemeinsamen Räumen hinauszuschmeißen. Dabei vergaßen sie völlig, daß sie einmal selbst auch nur eines der vielen bunten Grüppchen waren.

Ging es nicht gerade ihnen einmal um Toleranz gegenüber Andersdenkenden, um Veständnis für Schwächere, um Unterstützung unterdrückter Minderheiten? Waren nicht

sie es, die auch einmal gesagt hatten, daß man Regeln nicht höher bewerten dürfte als die wesentlichen Ziele? Nicht nur unbeab-sichtigte Regelverstöße, sondern bewußte Mißachtung wurden mitunter eingefordert wenn es hieß: Wo recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!

Und da sollte man mit jemand der doch die gleichen großen Ziele verfolgte, nicht mehr zu einer Übereinkunft kommen können?

Und nun ihr grünen und ihr bunten Männlein und Weiblein?

Nun liegt es an Euch, wie das Märchen weitergeht und ob es ein gutes Ende bekommt oder ein trauriges …

Regine Weiß